
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Wenn es vor dem Rathaus spukt
Halloween naht und in Teltow wurde wieder ein Findel-Kürbis abgelegt. Zum dritten Mal schon. Und niemand weiß, von wem
Stand:
Teltow - Die Ermittlungen im Rathaus laufen wieder. „Wir wissen nicht, von wem der Kürbis kommt“, sagt Andrea Neumann. Die Sache ist verzwickt. Unsicherheit schwingt in der Stimme der Teltower Stadtsprecherin mit. Der Spuk vor der Rathaustür jährt sich schon zum dritten Mal. Immer wenn der Herbst einsetzt, wenn die Nächte länger werden, wenn sich kleine Gespenster, Hexen, Zauberer und Zombies auf ihren Auftritt an Halloween vorbereiten, wenige Tage bevor sie Süßes fordern und mit Saurem drohen, immer dann taucht er auf. Der Teltower „Findel-Kürbis“.
Knallorange und künstlerisch mit dem Stadtwappen verziert, liegt er vor der Rathaustür und niemand weiß, von wem er kommt. Im Amtsblatt wurden schon Steckbriefe abgedruckt, auch im Internet sucht die Stadtverwaltung nach dem, der den Kürbis heimlich abgelegt hat. „Es hat sich nie jemand gemeldet“, sagt Andrea Neumann. Die Sache bleibt ein unheimliches Rätsel, nur die Indizien sprechen für sich: „Jack Oldfield grüßt Teltow 2013“ sollte wohl in diesem Jahr auf dem Gemüse zu lesen sein. „Doch der Kürbis-Künstler hat sich verschrieben.“ Jack Odlfield – D und L sind vertauscht – ist zu lesen. Zwei kleine Pfeile deuten den Fehler an. Vielleicht eine heiße Spur? Wohl kaum, sagt die Stadtsprecherin. Die Kürbisse aus den Vorjahren waren orthografisch korrekt. Bleibt die Frage: Wer zum Teufel ist Jack Oldfield? Der Teufel sollte es am besten wissen.
Einer keltischen Sage nach ging der Beelzebub dem Hufschmied Jack Oldfield gleich zweimal auf den Leim. Dem hinterlistigen irischen Betrüger, der zu seinen Lebzeiten nur Böses getan haben soll, gelang es demnach, Luzifer das Versprechen abzuringen, niemals seine Seele zu begehren. Doch geholfen hat das dem Hufschmied nicht viel: Als er schließlich eines natürlichen Todes starb, fand er weder einen Platz im Himmel, weil er sich nie gut verhalten hatte, noch einen in der Hölle, weil der Teufel seine Seele nicht besitzen durfte.
So wanderte Jack Oldfield in Kälte und Finsternis zwischen Himmel und Hölle, bis sich der Teufel erbarmte. Er gab Jack zumindest ein glühendes Stück Kohle und eine ausgehöhlte Rübe. Die „Jack O'Lantern“ war geboren und mit ihr der Halloweenbrauch, beleuchtete Fratzen vor die Haustür zu stellen. Als im 19. Jahrhundert viele Iren nach Amerika übersiedelten, gingen ihnen dort die Rüben aus. Kurzerhand wurden sie von Kürbissen mit gruselig flackernden Augen abgelöst.
Rüben also?, dachte man sich im Teltower Rathaus. „Vielleicht stammt der Findel-Kürbis ja von einem unserer zwei Rübchenbauern?“, mutmaßt deshalb Stadtsprecherin Andrea Neumann. Und tatsächlich: Die Beweise scheinen erdrückend. Kürbisse über Kürbisse stapeln sich vor der Haustür des Ruhlsdorfer Landwirts Uwe Schäreke. Ist er der Kürbis-Narr? „Nein, nein“, sagt Schäreke. „Wir waren das bestimmt nicht.“ Am Rathaus war er doch schon lange nicht mehr. Gar keine Zeit!
Auch Rübchenbauer Axel Szilleweit winkt ab. Zwar hat auch er Kürbisse in allen möglichen Farben und Formen im Angebot, aber das künstlerische Geschick? Er will es nicht gewesen sein. „Selbst wenn, dann würde ich es nicht verraten“, sagt Szilleweit mit einem breiten Grinsen. Die Augen flackern. Wirklich nicht? „Nein“, sagt Szilleweit. Die Idee mit dem Kürbis finde er aber ganz wunderbar. Gerade vor Halloween, der Nacht, in der die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten verschwimmt, sei das doch Gold wert für die Stadt.
Ein Schutz also für das Rathaus. Der Kürbis-Künstler kann es nur gut gemeint haben, schließt auch Andrea Neumann. „Es ist eine nette Tradition geworden.“ Missen möchte die Stadtverwaltung den Kürbis nicht mehr. Wer weiß, wie viele Geister sonst kämen. Auffallend ist nur, dass der unbekannte Kürbiskünstler offenbar von Jahr zu Jahr mehr Gefallen an seinem Tun findet. Prangte im ersten Jahr nur das Stadtwappen auf dem Kürbis, waren es im zweiten Jahr schon das Wappen und der Schriftzug „Grüße von Jack O.“ In diesem Jahr nun ist der volle Name – wenn auch falsch geschrieben – in die Kürbishaut eingeritzt worden.
Das muss immer dann passieren, wenn das Gemüse noch jung ist, sagt Neumann. Denn erst wenn der Kürbis weiter wächst, bilden sich die kunstvollen Narben, wie vor der Rathaustür zu sehen ist. Falls sich der unbekannte Kürbis-Künstler doch noch zu erkennen geben sollte: Erst nach Halloween kann das Kunstwerk im Rathaus abgeholt werden, sagt Neumann. „Falls er sich nicht meldet, haben wir schon überlegt, ob wir daraus eine Kürbissuppe kochen.“
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