zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Wenn Kleine große Wut haben

Beim Antiwut-Training lernten Kinder in Teltow mit Aggression umzugehen

Stand:

Beim Antiwut-Training lernten Kinder in Teltow mit Aggression umzugehen Teltow – Ganz einfach hörte es sich anfangs für die Schüler der 5b an, als Projektleiterin Kerstin Schneider ihnen die Aufgabe erläuterte: auf acht ausgestreckten Zeigefingern einen zwei Meter langen Stock auf dem Fußboden abzulegen. Das war eine von vielen Aufgaben, die die Schüler während ihres zweitägigen Antiwut-Trainings in der Jugendfreizeiteinrichtung „Schifferkinderheim“ vor einigen Tagen absolvierten. Während vier Mädchen und vier Jungen sich um die Balance des Stockes mühten, beobachteten ihre Mitschüler angespannt das Vorhaben, denn wie von Zauberhand schien immer wieder jemand aus der Gruppe den Stock anzuheben. „Julia drückt nach oben“, stellte einer fest, doch die gab zurück: „Ja, wieder mal ich“. Statt nach unten ging der Stock immer mehr in die Höhe, über die Köpfe, drehte sich beinahe im Kreis, bis einer ungeduldig wetterte: „Macht doch mal!“ Immer lauter wurden die Zurufe und Kerstin Schneider mahnte: „Solange ihr euch anschreit, wird es nie etwas.“ Erst als sie ihre Stimmen dämpften, klappte die Verständigung und Zentimeter um Zentimeter näherte sich der Stock dem Boden. „Auch bei den Erwachsenen geht anfangs der Stock immer nach oben“, tröstete die Sozialarbeiterin anschließend die Gruppe, „allerdings reden die schneller miteinander“. Das war auch für die Schüler ein Weg, sich über eigene Gefühle klar zu werden. Denn wer über Wut spricht, wird sie auch los. Wut kann man nicht einfach abschalten, lernten sie in dem Projekt, aber man muss andere deswegen nicht schlagen, anbrüllen, schubsen oder treten. Oft gibt es gute Gründe, mal richtig hochzufahren, ermutigte sie die Projektleiterin. Dann könne Wut sogar Energie mobilisieren, um gegen Ungerechtigkeiten anzugehen oder Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Und ein Schüler sah ein: Das gehe nur mit einigermaßen normalem Pulsschlag, weil man nach der ersten Wutwoge, nicht mehr richtig denken könne. Welche Strategien jeder bereits für sich entwickelt hat, um Wut abzubauen, wurden in einem Gespräch offenbar. Vor allem die Mädchen wollten dabei meist allein sein, wenn sie ihre Kuscheltiere an die Wand werfen, unter der Decke schreien oder in ein Kissen heulen. Türen knallen da eher bei den Jungen, die auch mal etwas zerbrechen oder auf ein Kissen boxen. „Das ist alles in Ordnung, wenn ihr euch dabei nicht verletzt oder anderen weh tut“, riet ihnen Kerstin Schneider. Weitere Tipps: sich sportlich zu betätigen oder Musik zu hören, um Stress abzubauen. Klassenlehrerin Bärbel Herrmann nahm als Beobachterin an dem Projekt teil und war sehr angetan: „Bei den aufgezeigten Wegen aus der Wut, erfahren die Schüler nicht nur, wie es ihnen selber geht, sondern auch wie ihre Mitschüler eine Situation erleben.“ Seit 1998 arbeitet Sozialarbeiterin Kerstin Schneider bereits mit der Grundschule II zusammen. Wie beim Streitschlichterprojekt ist auch beim Antiwut-Training Kommunikation wichtig. Dazu gibt es als Hausaufgabe ein Wuttagebuch, wo alles eingetragen wird, was die Schüler so auf die Palme treibt. Sich den Ärger von der Seele schreiben hilft, einen klaren Blick auf sich selbst zu gewinnen, gibt Schneider ihnen mit auf den Weg. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })