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Potsdam-Mittelmark: Wenn Schüler Lehrer nicht verstehen
Die Schallwerte in der Geltower Schule sind jenseits von Gut und Böse. Offenbar ist das kein Einzelfall
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Schwielowsee - Es begann vor gut einem Jahr nach dem Einbau der neuen Fenster: Lehrer der Meusebach-Grundschule in Geltow hatten den Eindruck, ihr eigenes Wort nicht mehr zu verstehen. Die Geräuschkulisse war unangenehm, jedes Flüstern der Schüler störte. Die von der Gemeinde beauftragten Gutachter des Potsdamer Akustikbüros Dahms bestätigten den Eindruck: Die Nachhallwerte sind jenseits von Gut und Böse.
Wird vom Deutschen Institut für Normung (DIN) ein Wert von 0,58 Sekunden, für Hörgeschädigte sogar von 0,48 Sekunden, empfohlen, so beträgt er in Unterrichtsräumen der Geltower Meusebach-Schüler 1,7 Sekunden. „Bei diesen Nachhallzeiten ist eine Sprachverständlichkeit nicht gegeben“, wie es im Gutachten heißt. „Dies ist besonders für Grundschüler, die von der Sprachentwicklung im engeren Sinne noch nicht als Muttersprachler gelten können, ein unbefriedigendes Ergebnis.“
Lars Kopischke vom Büro Dahms glaubt, dass das tatsächlich mit den neuen Fenstern zu tun hat. Die Lehrer würden sich allerdings irren, wenn sie glauben, dass der Schall aus den Räumen nicht mehr nach außen transportiert wird. „Vielmehr ist es wohl so, dass die alten Fenster so schlecht isolierten, dass es einen Grundgeräuschpegel im Raum gab.“ Da diese Außengeräusche fehlten, würden die Raumgeräusche und der Nachhall nun viel deutlicher wahrgenommen werden.
Miese Akustik in Schulen und Kitas seien leider der Regelfall, sagt Kopischke, dessen Büro zahlreiche solcher Einrichtungen begutachtet habe. „Selbst in Neubauten gibt es häufig keine akustische Ausstattung“, so seine Beobachtung. Folge: Die Konzentrationsleistung werde schlechter, die Schüler würden schneller ermüden. Und auch für die Lehrer sei es schwer, Grundschülern das Abc zu vermitteln. „Versuchen Sie doch mal, den Buchstaben T laut zu sprechen.“
Laut Kopischke empfiehlt sein Büro immer wieder, wenigstens nachträglich raumakustische Materialien einzubauen. Auch für die Geltower Grundschule haben die Gutachter den Einbau von Schallschutzdecken empfohlen. Im Speiseraum der Schule haben die Lehrer bereits versucht, sich selbst zu behelfen – und Segel an die Decke gehängt, weil es „sonst nicht auszuhalten ist“, wie es aus der Schule hieß. Geholfen hat das zumindest in den tiefen Frequenzen kaum: Der Nachhall beträgt 2,7 Sekunden. Ohne akustische Absorber sei eine erholsame Mittagspause unter diesen Vorzeichen nicht möglich, urteilt das Büro Dahms. Nur so könnte der Raum auch für andere Zwecke wie Vorträge oder Klausuren genutzt werden. „Derzeit ist das nicht möglich.“
Die Gemeindevertretung diskutiert seit einiger Zeit, was zu tun ist. Die 70 000 Euro, die für Akustikeinbauten im diesjährigen Haushaltsentwurf schon veranschlagt waren, wurden aber gestrichen. Die Fenster waren im vorigen Jahr nur saniert worden, weil es zog und reinregnete. Die umfassende Sanierung inklusive Anbau soll 2016 beginnen. Und bevor nicht klar ist, wo Wände aufgerissen werden müssen und welche Räume wie genutzt werden, wollte man kein Geld ausgeben.
Schul- und Elternsprecherkonferenz haben in Briefen an die Gemeindevertreter und die Bürgermeisterin dagegen protestiert. Selbst bei der Sitzung der Elternsprecher in der Schule habe man die Geräuschkulisse als unangenehm empfunden, obwohl die Anwesenden „nicht einmal eine halbe Klasse“ ausgemacht hätten, wie es in einem Schreiben heißt. Zumindest sollte über mobile Schallschutzelemente nachgedacht werden, fordern die Eltern.
Im Schreiben der Schulkonferenz wird Benjamin Franklin mit dem Satz zitiert, dass Wissen immer noch die besten Zinsen bringe. „Bitte investieren Sie in diesem Sinne in unsere Kinder und schaffen Sie umgehend die Bedingungen für eine gedeihliche Lernsituation!“ Mittel zum Schallschutz sollten umgehend bereitgestellt werden, auch um Kinder und Pädagogen nicht „erheblichen Gesundheitsrisiken“ auszusetzen.
Im Rathaus erinnert man zwar daran, dass beim Einbau der Fenster mobile Möglichkeiten zum Schallschutz wie Gardinen und Segel – trotz der Hinweise von Fachleuten – von der Schule aus Räumen entfernt und entsorgt worden seien. Dennoch zeichnet sich ein Umdenken ab: Anfang Juni beraten die Gremien der Gemeindevertretung erneut über das Problem. Ende Juni sollen die ersten Entwürfe zur Schulsanierung vorliegen. Wenn klar ist, was später in welchen Räumen unterrichtet wird , könnte man in Räumen, wo keine Wände und Fußböden aufgenommen werden müssen, die Schallschutzdecken womöglich vor der Sanierung einbauen, wie es in einer Rathausvorlage heißt.
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