Potsdam-Mittelmark: „Wenn Sie schießen, hau ich Sie tot“
Stahnsdorfs Gemeindejäger treffen bei der Jagd nicht nur auf Zustimmung
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Stahnsdorf - Das Leben eines Waidmannes ist alles andere als leicht, erzählt Willi Otrzonsek. Dabei wollte der neue Stahnsdorfer Gemeindejäger nur ein Wildschwein schießen. Erst ein paar Tage ist es her, da hatte Otrzonsek in aller Frühe angelegt – im Visier ein 25-Kilo-Schwein. Ein Wildschwein genau der Sorte, von denen derzeit viele den Stahnsdorfern die Nerven rauben. Sie wühlen Rasen um, graben Blumenzwiebeln aus, zerstören Sport- und Spielplätze und sorgen dabei für Angst und Schrecken. Gerade wollte der erfahrene Jäger an besagtem Morgen abdrücken, da kam ihn ein Anwohner in die Quere.
„Wenn Sie auf das Schwein schießen, dann hau ich Sie mit dem Knüppel tot“, habe der aufgeregte Mann gerufen, sagt Otrzonsek. In 27 Jahren als Jäger hat Otrzonsek einiges erlebt. So etwas noch nicht, erzählt er von dem Erlebnis an einem seiner ersten Arbeitstage für die Gemeinde. Dabei ist der Start für die neue Jägertruppe beachtlich.
Seit Anfang September sind vier Jäger in der Gemeinde Stahnsdorf als Jagdbeauftragte tätig. Die Ehrenamtler haben die Berechtigung, in der Ortslage auf öffentlichem Grün und öffentlichen Wegen zu schießen. Wenn Anwohner eine entsprechende Genehmigung vorweisen können, dürfen die Jäger auch im Garten ran. Schon zwei tote Wildschweine haben die Waidmänner auf ihrer Erfolgsskala vorzuweisen – eines geschossen in der Friedrich-Naumann-Straße und ein weiteres am Güterfelder Damm.
„Das reicht aber noch nicht“, sagt Otrzonsek. Der 73-jährige Pensionär ist morgens und abends mit seinem Kollegen Jürgen Ziehut in Stahnsdorf auf der Pirsch. In den Ortsteilen Güterfelde und Kienwerder sind die Jäger Karl-Heinz Schreiber und Kai Huckshold zuständig. Zu erkennen sind die vier an ihrer mit einem leuchtenden Signal markierten Jacke und natürlich dem Gewehr, sagt Otrzonsek.
„Wir suchen gezielt unbebaute oder verlassene Grundstücke auf“, erzählt der Jäger. Gerade dort hätten die Schweine oft freien Zugang zu Fallobst und versteckten Blumenzwiebeln – ein „Schmankerl“ für die Tiere, sagt Otrzonsek. „Wir tun unser Möglichstes, um die Zahl der Schweine zu reduzieren“, ergänzt er.
Doch leicht ist das nicht: Jedes Jahr bringt eine Bache sechs bis acht Frischlinge auf die Welt. Otrzonsek schätzt, dass es rund zehn Bachen in Stahnsdorf gebe. Ein bis zwei Nachfahren zu schießen, sei zu wenig. „Die Vermehrungsrate ist dramatisch hoch“, bringt Otrzonsek die Sache auf den Punkt.
Allein bei dem Schuss am Güterfelder Damm hätten sich insgesamt 15 Wildschweine auf der Straße befunden – eins wurde erwischt. Otrzonsek hofft nun, dass die Schweine nach dem Schuss zumindest an dieser Stelle abgeschreckt sind. Dafür werden sie anderenorts ihr Unwesen treiben, weiß der Waidmann. „Wir gehen weiter regelmäßig auf Pirsch“, kündigt er deshalb an.
Von dem entsetzten Anwohner hat sich der Jäger übrigens nicht beeindrucken lassen: „Ich habe ihn beruhigt und erklärt, dass es mit den Wildschweinen so nicht weiter geht.“ sagt Otrzonsek. Das Schwein ist tot. Tobias Reichelt
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