Potsdam-Mittelmark: Werder hat die Wahl
Erst drohte zur Bürgermeisterwahl Langeweile, doch in dieser Woche sind zur bisher einzigen Kandidatin Manuela Saß überraschend drei weitere hinzugekommen
- Enrico Bellin
- Henry Klix
Stand:
Werder (Havel) - Werder lässt die Demokratie hochleben. Die SPD hat mit ihrer Unterstützung der CDU-Bürgermeisterkandidatin Manuela Saß und ihrer neuen Koalition mit der CDU die Oppositionskräfte wachgerüttelt. Noch am Montag war eine langweilige Ein-Frau-Show zu befürchten, seit gestern ist klar: Die Werderaner haben tatsächlich die Wahl, neben der CDU schicken auch die Linken, die Grünen und die AfD Bewerber ins Rennen, wie von der Wahlleitung nach Ablauf der Bewerbungsfrist am Donnerstag um 12 Uhr bestätigt wurde. Ein fünfter Kandidat habe nicht die erforderliche Zahl der Unterstützerunterschriften zusammenbekommen.
Favoritin bleibt die 1. Beigeordnete des Rathauses, Manuela Saß. Die 48-Jährige ist Volljuristin und scheint als frühere Vizeamtsleiterin des Amtes Beetzsee wie geschaffen für den Posten. Seit 2009 war sie Fachbereichsleiterin in Werders Stadtverwaltung, wurde 2010 von der CDU als Beigeordnete vorgeschlagen und gewählt. In dem Amt machte sie eine gute Figur, auch als Bürgermeister Werner Große sich wegen seiner Krebserkrankung monatelang aus dem Tagesgeschäft zurückziehen musste. Eine solide Finanzpolitik sieht sie als Kerngeschäft der Rathausspitze, will Geschaffenes bewahren und den Bau des Bahntunnels in die Havelauen vorantreiben. Hinter der Blütentherme hatte sie bei ihrer Vorstellung im April schon als abgeschlossenes Projekt ihres Vorgängers verbucht. „Das muss ich wohl wieder zurücknehmen“, sagte sie diese Woche den PNN.
Auch wenn die Chancen überschaubar erscheinen: Von den kleineren Kräften war es clever, sich von den beiden großen Volksparteien nicht in den Schatten stellen zu lassen und eigene Namen ins Spiel zu bringen. Da ist der Gewerkschaftssekretär Peter Hinze von den Linken, ein politisch gestähltes Werderaner Urgestein, der in der Stadtverordnetenversammlung gern mal die alten Werderschen aus Kneipenrunden zitiert, um linke Kommunalpolitik im rechten Licht erscheinen zu lassen. Der 61-Jährige sitzt seit Anfang der 90er-Jahre im Stadtparlament, ist Mitglied des Sonderausschusses Blütentherme, die den kriselnden Bau des neuen Bades begleitet.
Die derzeitige Krise sieht er gelassen, stehe nach wie vor dazu, dass die Stadt die Blütentherme auch ohne einen privaten Partner betreiben kann. Außerdem brauche Werder ein tragfähiges Konzept für den Rauenstein, die Friedrichshöhe und vor allem die Bismarckhöhe. „Beispielsweise könnte man Hotelketten wie das Steigenberger anschreiben, ob sie die exponierte Lage nicht für ein Ausbildungszentrum nutzen wollen“, so Hinze, der im Hohen Weg im Schatten der Bismarckhöhe aufwuchs.
Ganz knapp hat der AfD-Mann Steffen Königer geschafft, die notwendigen 56 Unterstützerunterschriften für seine Kandidatur zusammenzubekommen. Der 42-jährige Unternehmer ist als Vorsitzender des Werderaner Windsurfvereins gut in der Stadt vernetzt. Er wird sich in den kommenden Wochen allerdings einigen Fragen zu stellen haben. Sein Name wird mit anderen aufgezählt, wenn es darum geht, die Europaskeptiker der AfD als Rechtspopulisten zu entlarven. Königer studierte Politik, Psychologie und Geschichte, war 1999 Direktkandidat der Landtagswahl für den rechtspopulistischen Bund freier Bürger, danach bis zum Jahr 2004 als Redakteur der „Jungen Freiheit“ tätig, für Politikwissenschaftler ein Sprachrohr der neuen Rechten. Wichtigste Punkte auf seiner Agenda für die Bürgermeisterkandidatur: Er wolle günstigen Wohnraum schaffen. „Wirtschaftsinteressen und sozial verträgliche Mieten sind vereinbar“, meint er. Die Baumblüte müsse wieder aus der Stadt heraus organisiert werden. „Mit mir als Bürgermeister wird sich kein Auswärtiger eine goldene Nase mit unserem Fest verdienen!“
Solche Parolen mögen ein Grund gewesen sein, warum auch die Grünen im Wahlkampf mit ihren Ideen für die Stadt vertreten sein wollen. Der 49-jährige Joachim Hilburg aus Phöben kandidiert, um Werder eine bürgerliche Perspektive außerhalb der CDU zu bieten. „Die Wähler der SPD hätten sicher gern vor der Wahl gewusst, dass sie mit ihrer Stimme letztlich die CDU unterstützen“, so der Diplomverwaltungswirt. Die Kernforderungen der Grünen im Wahlkampf waren mehr Kapazitäten an Schulen und Kitas sowie bedarfsgerechtere Schulbusverbindungen. Außerdem sollen regelmäßige Bürgerbefragungen zu wichtigen Themen der Stadt durchgeführt werden. Hilburg ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit und Soziales der Grünen, also erfahren im Politikgeschäft.
Durch die vier Kandidaten wird die Wahl, die gemeinsam mit der Landtagswahl am 14. September stattfindet, spannend, sodass mit einer guten Wahlbeteiligung zu rechnen ist. Bei der Landtagswahl 2009 lag die Wahlbeteiligung bei etwas über 56 Prozent. Je weniger Werderaner sich an der Wahl beteiligen, desto wahrscheinlicher kommt es bei einer so hohen Bewerberzahl zu einer Stichwahl. Denn für das Bürgermeisteramt wird eine Mehrheit von mindestens 15 Prozent aller Wahlberechtigten benötigt.
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