Potsdam-Mittelmark: Werder in den Kochtopf geschaut
„Havelzander im Apfelbett“ ist ein lukullischer und amüsanter Abriss über die Geschichte der Inselstadt
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Werder - Fisch kam früher mindestens einmal in der Woche in die Kochtöpfe der Werderaner Hausfrauen. Schließlich lebten die Bewohner der Insel schon vor rund 10 000 Jahren vom Fischfang. Allerdings kratzen die Gräten der Bleie noch heute manchem Werderaner im Halse. Zu Verschmerzen war die Quälerei mit den Gräten nur der Biersoße wegen, die meist mit einem halben Liter Helles oder Malzbier zubereitet wurde.
Solche Einblicke ins kulinarische Leben der Werderaner bietet ein Buch, das der Kulturverein „Inselstadt“ herausgegeben hat und das am Freitag im Rathaus auf der Insel erstmals vorgestellt wurde. Der Andrang zur Premiere war groß – rund 100 Besucher bekundeten ihr Interesse an der Neuerscheinung mit dem Titel „Havelzander im Apfelbett“, der bereits ahnen lässt, dass die fleißigen Inselbewohner auch lukullischen Tafelfreuden sehr zugetan waren. Bei diesem Rezept kommen zudem gleich drei Werderaner Spezialitäten in den Ofen: Zander, Äpfel und Weißwein. Der Weißwein, empfohlen wird der trockene Werderaner Wachtelberg, verleiht auch dem Sud für Havelkrebse eine exquisite Note. Für den Karpfen wird roter Wein angeraten, natürlich gleichfalls von der märkischen Straußwirtschaft, die als nördlichste Qualitätsweinlage der Welt gilt.
„Essen und Trinken hat eine besondere Bedeutung in unserem Leben“, schreibt Bürgermeister Werner Große im Geleitwort des Buches, von dem nicht nur er hofft, dass es „dazu beiträgt, unsere Stadt und ihr Leben in der Vergangenheit und im Heute besser kennen zu lernen“. Auf über 100 Seiten geht der Trend von üppigen Speisen – wie dem Kastanienpudding mit zehn Eiern und 200 Gramm Butter – bis zur leichten Apfelsuppe mit Korinthen, allerdings wird auch hierbei geschmacklich mit einem Esslöffel Sahne abgerundet.
So richtig auf den Geschmack der Werderschen Küche kommt man aber vor allem über die kleinen Geschichten rund ums Kochen, die von der Vereinsvorsitzenden Ingeborg Lauwaßer in dem Buch liebevoll zusammengetragen wurden. So erfährt man aus ihrem Bericht, dass einst 36 Fischer auf der Inselstadt ansässig waren, die ihr Meisterrecht in 13 Paragraphen festlegten. Diese Ordnung von 1686 strafte die Sonntagsfischerei mit zwei Talern ab. Und wer „eines Fischmeisters Witwe heyraten wollte“ und somit Fischereirechte erwarb, hatte „zween Thaler und 12 Groschen“ zu entrichten. Bei „Ehebruch, Hurerey, Diebstall und dergleichen" wurde die „Fischerey-Gerechtigkeit“ entzogen.
Wie es einst im Lendelhaus zuging, hat Ingeborg Lauwaßer für die Nachwelt festgehalten nach einem Gespräch mit Johanna Beyer. Die Familie Beyer wohnte 35 Jahre lang in dem wohl schönsten Hause am Werderschen Markt. Die Tischordnung im Hause Lendel schrieb für Feste vor, dass das Tafeltuch bis zum Stuhlsitz zu reichen habe und jedem Gast 75 Zentimeter Tischkante, zwecks Bewegungsfreiheit, zuzustehen sind. Bei den Tischkarten wurde auf Titel verzichtet, nur der Name stand darauf und gegebenenfalls die Verwandschaftsbeziehung. Johanna Beyer erinnert sich noch, dass Herr Lendel den Karpfen in Biersauce bevorzugte.
Die Bierbrauerei, so weiß das Buch zu berichten, gehörte einmal zu einem „blühendstem Stande“ und so durfte das Tischgetränk, ob blond oder braun, in keinem Haushalt fehlen, zumal es von „berühmten Ärzten als Gesundheitsbier empfohlen wurde“.
Natürlich widmen sich gleich mehrere historische Abrisse der Baumblüte und der Obstzucht – verfasst von Baldur Martin. Der Autor weiß manch Kurioses zu erzählen, wie beispielsweise von dem kleinen Flohzirkus, der auf dem Plantagenplatz mit einem kleinen runden Tisch gastierte. Darauf zogen acht Flöhe, angebunden mit Haaren, eine kleine goldene Kutsche im Kreis herum. Manfred Zeitz hat die Szene illustriert, ebenso finden sich in dem Buch Zeichnungen von Tino Würfel, dessen Akziseneinnehmer Werders Stadtoberhaupt verblüffend ähnlich sieht. Immerhin oblag es in früheren Zeiten dem Bürgermeister, die Brausteuer einzunehmen. Vergnügen ist somit nicht nur beim Nachkochen der Rezepte garantiert, sondern auch beim Lesen der Werderaner Küchengeschichten.
Wer keine Gelegenheit hat, das Buch in den Geschäften der Inselstadt zu erwerben, kann es auch telefonisch bestellen unter 0173 6155 456 (Ingeborg Lauwaßer).
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