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Viel Enthusiasmus. Über 70 Mitwirkende im Alter zwischen 5 und 60 gestalteten das Musical.

© Kirchengemeinde

KulTOUR: Werder sucht den Superstar

„Alex S. – Ich bin wieder hier...“ in der Heilig-Geist-Kirche mit toller Musik und einigen offenen Fragen

Stand:

Werder (Havel) - Pfarrer Georg Thimme hat es offenbar mit den Musicals. Nachdem er in der Heilig-Geist-Kirche auf Werders Insel bereits die Weihnachtsgeschichte und den theologischen Krimi „Die Verschwörung“ auf den Weg gebracht hat, darin es um die Frage ging, wo Jesus denn nach seiner Grablegung abgeblieben sei, stand am Samstag das Gleichnis um den „Verlorenen Sohn“ nach dem fünfzehnten Kapitel des Lukas-Evangeliums auf dem Programm.

Es berichtet von zwei Brüdern, deren einer sein Erbe noch vor der Zeit als Lotterbube verprasst, um dann von seinem Vater wieder in alle Ehren gesetzt und geachtet zu werden. Der andere hielt sich an alle Regeln, er hat seinem Erzeuger treu und redlich gedient, aber solche Achtung von ihm nicht empfangen. Als er sich ob dieser vermeintlichen Ungerechtigkeit beschwert, antwortet dieser: „Dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden“, und fordert ihn auf, auch fröhlich zu sein.

Nun wäre ein Gleichnis kein Gleichnis, wollte es nicht über sich selber hinausweisen. Wo endet denn die viel zitierte „Gerechtigkeit“, wo soll und muss das Herz sprechen? Mit einem gut siebzigköpfigen Gesamtensemble zwischen 5 und 60 versuchte man am Samstag, dieser Frage auf den Grund zu kommen. Allerdings erfolgte die Umsetzung nicht „pur“, man hat vielmehr unter dem Titel „Alex S. - Ich bin wieder hier..." versucht, eine Gegenwartsgeschichte um den rockenden Fabrikantensohn Alex (Tilo Storch) und seinen biederen Bruder Sebastian (Detlev Baars) daraus zu machen – und darin eine gute Portion Kritik am allein profitorientierten Musikbusiness unterzubringen. Mehr, als es dem biblischen Thema „Verlorener Sohn“ guttat.

Das monatelang schuftende und grübelnde Kreativteam entschied sich, die Story von Alex und Sebastian um die Musik des Deutsch-Rockers Marius Müller-Westernhagen zu ranken, wozu der Barde auch gern die Erlaubnis gab. Viele Songs, etwa „Lieb mich“ oder „Sexy“ passen ja auch in die Liebesgeschichte zwischen Alex und dem erbarmungsvollen Mädchen namens Engel (Klara Kampmann, Paula Klingholz), welches den gefallenen und hungernden Sohn von der Straße holt. Die großartige „Kruse AG“ aus Potsdam setzte achtzehn seiner Lieder auf schwarzer Off-Bühne kongenial um, darunter auch das abgelederte Sentimental „Freiheit“.

Trotz Bühnennebels, Lichteffekt und Leuchtstäbchen in wirklich toller Konzert-Atmosphäre ging die Geschichte diesmal leider nicht auf. Einmal war die aktualisierte Fassung gegenüber dem Original nicht so zündend, zum anderen inszenierte man nicht primär den Verlorenen Sohn, sondern eine eigene Kritik am Musik-Business, Marke „Werder sucht den Super-Star“.

Warum Alex in Zeiten der Suppenküchen auf der Straße hungern muss, war genau so wenig hinreichend begründet, wie der Verbleib des ausgezahlten Erbteils. Wo es also, rein biblisch, um Kämpfe und Befindlichkeiten im Innern ging, zum Beispiel eine offensichtliche Ungerechtigkeit zu verarbeiten, begnügte man sich mehr mit äußeren Stationen. Natürlich kehrte der Verlorene heim, natürlich verzieh man ihm mit „Es geht mir gut“ trotzdem. Wollte man sich noch etwas mehr um die handelnden Personen kümmern, könnten die nächsten Vorstellungen mehr als nur durch tolle Musik, Spritzigkeit und sehr viel Enthusiasmus und Engagement überzeugen. Das wäre bestimmt auch ganz im Sinne des „Erfinders“.

Gerold Paul

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