KulTOUR: Werderaner Eulenspiegeleien
Neue Ausstellung im Schützenhaus mit Gemälden von Frank W. Weber, der am Freitag 50 geworden ist
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Werder (Havel) - Das war am Freitag kein „großer Bahnhof“ für Frank W. Webers Fünfzigsten: Es war ein Hauptbahnhof! „Als hätte ich all die Jahre auf diesen Tag hingearbeitet“, verwunderte sich der Werderaner Künstler immer wieder. „Ich habe meine Bilder schon oft gezeigt, jetzt endlich die erste Ausstellung hier“ – in jener Stadt, in der er seit 30 Jahren wohnt. Als „Enfant terrible“ der örtlichen Kulturpolitik, als Anreger unbequemer Ideen, als Kurator der Stadtgalerie „Kunst-Geschoss“. Als diensthabender Eulenspiegel der Inselstadt mit eigenem Portefeuille beamtet, findet man ihn in seiner Personal- und Jubiläums-Schau katzengleich „nachts auf fremden Dächern“, spähend, was der rechtschaffende Obstmucker alles so treibt. Er hält ihm den Spiegel vor, und ist, per Wortsinn, zugleich auch fast immer im Bild.
„Landschaftsmalerei“ nennt Weber seine sozialkritischen Genregemälde, die er im Stil der Neuen Sachlichkeit malt. Eine „Familienfeier“ ohne jeden Familiensinn, dafür mit grinsendem Lampion drüber. In „Etruskische Spielerei“ hat er einem zu Tische liegenden Römer den Kopf abgerupft und selbstironisch seinen eigenen aufgesetzt, immer dabei die Insignien dieses Genießers: Zigarren und Wein. „Mein Sanssouci“ ist als Marionettenbühne gestaltet, an Fäden ziehen da rotbezipfelte Zwerge heran: „Dri-dra-drallala, der Preußenspuk ist wieder da“. Wem das nicht passt, soll einfach den roten Samtvorhang zuziehen.
Eulenspiegel sind immer subversiv. Frank Weber wurde „als Querdenker“ in Querfurt geboren, Jugend in Artern an der Unstrut, sein latinisierter Künstlername Aratora bezeugt es. Später versuchte er sich als Landvermesser und bei „Staat und Recht“, aber dort waren wohl zu viele Paragraphen. Er hat verschiedene Künstler-Vereine mitbegründet, Werder eine Gedenktafel örtlicher Opfer des Stalinismus geschaffen, eines „Den Opfern für Krieg und Gewalt“. Sein Name ist längst in den Künstler-Lexika verzeichnet. Der bekennende Kulinarier verleugnet seine „Sozialisation-Ost“ nicht, ist „trotzdem“ patent geblieben. Das Jahr 1989 dokumentierte er in dem Bild „Voll durch die Mauer“ – die Coca-Cola-Dose durchrammt sie – oder in dem Triptychon, dessen Mittelteil ein Regal mit zwei Büchern der Zukunft zeigt; „Farm der Tiere“ und „1984“. Rechts davon sieht man, wie er sich damals „in die Pfanne gehauen“ vorkam. Eine Grafikreihe mit Portraitköpfen, jeweils einer Zigarrenbanderole zugeordnet, eine Reihe von Fotocollagen für Werders Eingedenken, etliche „konzeptionelle Installationen“: „Die Zeit“ zeigt eine nach rechts verzerrte Totenmaske, darunter ein Pfeil mit Flintstein daran, genial! Ebenso das Triptychon „100 Jahre Bordkapelle“ auf der sinkenden Titanic, da spielt der Michel Trompete, Oskar aus Grassens „Blechtrommel“ ist mit dabei, Hitler bläst auf der Tute – sie gibt nur einen Ton. „Meister Frank“ hat es oft auf solche Pointen abgesehen, auch wenn zwei satte Amis das Ghetto von Krakau „Very nice“ finden. Bei ihm fährt auch die legendäre Film-Mutter Krause nicht länger ins Glück, ihr Pelz hat Motten bekommen. Aratora bastelt wunderbare Sujets, Details machen diese kunstreichen Bilder sehr reich.
Haupt- und Staatsbahnhof also in Werder. Eulenspiegel ist akzeptiert. Der Bürgermeister hielt eine heitere Rede auf den Lausbuben, die Caputherin Krystina Kauffmann eine persönlich gehaltene Laudatio. Alle Honoratioren an Bord – und die brave Kapelle spielt weiter, wenn das nicht Subversion ist! Auf das Leben denn.
Die Ausstellung ist bis zum 1. Februar donnerstags, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr im Schützenhaus zu sehen.
Gerold Paul
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