Potsdam-Mittelmark: Werkdirektor bei Genossen und Gesellschaften
Geschichtsaufarbeitung im Heimatverein: Dieter Hasler holte die Martini KG aus der Erinnerung
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Geschichtsaufarbeitung im Heimatverein: Dieter Hasler holte die Martini KG aus der Erinnerung Von Georg Jopke Kleinmachnow. Die Bosch-Werke waren gestorben. Dafür gab es nach dem Krieg viel aufzuräumen, zu reparieren, das Leben wieder in Gang zu bringen. Bernd Martini, aus Westfalen gekommen und bislang Prüfingenieur in den Hallen am Stahnsdorfer Damm, packte zu. Er gründete einen Handwerksbetrieb für Elektroarbeiten. Er war stark gefragt und gewann auch zunehmend über die Region hinaus an Bedeutung. Ende der 60er Jahre waren in der nunmehrigen „Elektrobau Martini KG" neben den Handwerkern auch schon zwei Ingenieure tätig, die eigene Projekte entwickelten. Die Kleinmachnower bauten Trafostationen und auch Elektroöfen im Stahlwerk Hennigsdorf. Weil das mit der eigenen Kapitaldecke nicht ging, nahm der weitsichtige Firmenchef eine staatliche Beteiligung auf. So war es dann auch schon im Telefonbuch von 1970 zu lesen, in dem das an der Karl-Marx-Straße ansässige Unternehmen zugleich sein Arbeitsfeld vorstellte: Projektierung und Ausführung von Industrie- und Hochspannungsanlagen. Der Heimatort wurde aber nicht vergessen: Bernd Martini richtete Ladengeschäfte ein, die Elektroartikel und eines Tages auch Kühlschränke anboten: Zunächst an der Hohen Kiefer, dann am Schleusenweg, an der Karl-Marx-Straße und schließlich auch in Berlin-Treptow. Zwei Jahre später war dann vieles ganz anders: Die Martini- KG mit ihren rund 50 Mitarbeitern wurde zum Volkeigenen Betrieb (VEB). In jenem Jahr starb auch der einstige Firmengründer. Er wurde 64 Jahre alt. Als Werkdirektor übernahm der gebürtige Potsdamer Dieter Hasler die Geschäfte, der bereits Mitte der 60er Jahre nach Kleinmachnow gekommen war. 30 Jahre lang übte der immer parteilose Diplom-Ingenieur dieses Amt aus. Auf diese Zeit blickte der nunmehrige Rentner am Montag bei einer gut besuchten Vortragsveranstaltung des Heimatvereins zurück und hatte bei seiner kritischen Betrachtung von „Genossen und Gesellschaften" eine diskutierfreudige Zuhörerschaft. Der Kleinmachnower VEB schuf die Elektroanlagen in der neuen Potsdamer Brauerei und er sorgte daheim für eine komplette Straßenbeleuchtung, er war in der Schwerindustrie tätig, vor allem im Stahlwerk Hennigsdorf. Er musste SED-Parteitagsbeschlüsse erfüllen, musste mit den sich öfter ändernden übergeordneten Leitungsstrukturen fertig werden und dabei die permanenten Materialengpässe meistern. „Schon ab 1982 waren die maroden Erscheinungen in der DDR-Volkswirtschaft unverkennbar", meint Hasler, der einen Bogen spannte von den Kombinatsbildungen und die Erzeugnisgruppenarbeit von einst bis zu Unternehmensfusionen von heute. „Während der Wende haben wir mit 40 Interessenten aus der ganzen Bundesrepublik über die Privatisierung unseres Betriebes verhandelt“, erinnert sich der Werkdirektor. Es war ergebnislos. Der Betrieb ist dann durch die Treuhand zu einer gemischten Industrieholding geworden, danach folgte der große Personalbbau. Heute ist die „Elektro G+K GmbH & Co KG" mit 25 Mitarbeitern vornehmlich im Havarie- und Hauskundendienst und für Krankenhäuser tätig. Und es gibt auch noch einen Handwerksmeister Wolfgang Martini. Der Sohn des einstigen Bosch-Prüfingenieurs, der vor 25 Jahren einen eigenen Betrieb gründete, hat das väterliche Grundstück an der Karl-Marx-Straße zurückerhalten. Bis vor zwei Jahren hat er dort ein Ladengeschäft betrieben. „Die Konkurrenz ist zu groß", begründet der nun 63-Jährige den Rückzug. Jetzt erledigt er als Alleinmeister Reparaturarbeiten. In Kleinmachnow gab es nach den Bosch-Werken den VEB Apag, in dem Aluminium für Armaturen geschmolzen wurde, es gab das KFZ- Instandsetzungswerk „Max Reimann", später die Firma FATH, es gab das volkseigene Dienstleistungskombinat mit Verwaltung und Werkstätten. Sie boten eine stattliche Zahl von Arbeitsplätzen. Das ist nur noch Erinnerung, geblieben ist von den größeren Unternehmen noch die "Alpina AG". Der Vortragsabend war ein gehaltvoller Ausflug in die jüngere deutsche Geschichte. Wie sie daran mitgeschrieben haben, mit guten Taten oder mit falschen Entscheidungen, mit Irrtümern oder mit äußerlichen Zwängen, ist aus den Erlebnisberichten der Zuhörer erfreulich lebendig geworden. Es zeigte sich erneut, dass der Heimatverein mit solchen Themen eine gute Wahl trifft.
Georg Jopke
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