Potsdam-Mittelmark: „Westlich dekadent“
Dem Kleinmachnower Maler Herbert Enke zum 90. Geburtstag
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Dem Kleinmachnower Maler Herbert Enke zum 90. Geburtstag Von Kirsten Graulich Kleinmachnow. „Formalistisch“ und „westlich dekadent“, lautete Anfang der fünfziger Jahre die martialische Absage der SED-Oberen an die moderne Kunst. Als auch den Maler und Bühnenbildner Herbert Enke dieses Urteil trifft, wird ihm klar, das ist geplant, um ihn und seine jungen Künstlerkollegen auszuschalten. Noch einige Jahre zuvor, glaubten sie an eine neue Zeit. „Wir haben uns einen Dreck gekümmert um Zensur oder sowas“, reflektiert er die Aufbruchstimmung nach dem Krieg. Nun traf die Kritik nicht nur seine künstlerische Substanz, sondern auch seine Existenz und die seiner Familie. Schockiert verbrannte Enke danach einen Teil seiner Arbeiten. Weinend und verzweifelt fand ihn seine Tochter vor einem Rest Asche. Es waren vor allem die persönlichen Angriffe von Künstlerkollegen im Geraer Verband, die Enke in so tiefe Depressionen stürzten, dass er sich jahrelang isolierte. Während alle Freunde der Künstlergruppe "Junge Kunst" in den Westen gingen, blieb Enke. Er versuchte in die Umgebung seiner Thüringer Heimat zu entfliehen, arbeitet vor der Natur. Aber seine Arbeiten wurden jahrzehntelang nicht mehr ausgestellt. „Ich habe dann nichts mehr versucht, nichts mehr eingereicht ... vollkommen die Rollos runtergemacht", beschreibt er seinen Rückzug in ideologiefreie Nischen. Fortan arbeitet Enke als Kunsterzieher, später gestaltet er Wandflächen für Schulen, Kindergärten und Betriebe. „Man hat mich nie ganz fertigmachen können, weil ich dekorativ sehr stark war. Mit meiner dekorativen und pädagogischen Begabung habe ich meine Familie durchgebracht." Enkes eigentliche künstlerische Arbeit geschieht nach Feierabend, im Verborgenen. „Es hat niemand was gesehen. Es hat niemand Ja gesagt, es hat niemand Nein gesagt." Seine Arbeiten verschaffen ihm Distanz zum opportunistischen Kunstbetrieb, dessen Zumutungen er sich so entziehen kann. Wie der Clown auf seinem Bild, der auf einem dünnen Seil balanciert, sieht auch der Maler das Leben als Gratwanderung. Im Bildhintergrund symbolisieren Gondeln eines Riesenrades das Hoch und Nieder des Daseins. In Enkes Arbeiten wird die Welt zur grotesken Bühne, deren Komödien sich keiner entziehen kann, denn alle sind Marionetten gleich, durch geheimnisvolle Fäden miteinander verbunden und funktionieren im Räderwerk. Doch was da beim Betrachter zunächst Heiterkeit auszulösen vermag, weicht Augenblicke später Beunruhigung, denn die Komödie ist in die Wirklichkeit eingebrochen. Ironie wird Enkes Ausweg und hilft ihm, Abstand zu gewinnen, seine Verletzungen bildnerisch umzusetzen. Was fehlte, war jedoch die Anerkennung durch Kollegen. Später sagt Enke über sein Werk: „Ich habe es nicht einordnen können, habe nicht gewußt, ob es gut oder schlecht war. Ich habe es gemacht und in die Ecke gestellt ...." In einigen Arbeiten Enkes, die erstmals ab Mitte der 70er Jahre auf Ausstellungen wieder zu sehen waren, spiegelt sich in den Bildfindungen Klees Formenkosmos wider. Wie bei Paul Klee hat äußere Bedrängnis auch bei Enke schöpferische Kräfte mobilisiert, wie bei Klee entstand eine poetische Bildmagie mit leisen ironischen Klängen. Aber seine marionettenhaften Figuren malte Enke bereits, bevor er Klees Arbeiten kennen lernte. „Ich musste so malen. Ich hatte keine andere Möglichkeit“, räumt er ein, „Ich habe einige Dinge, die mit Klee vielleicht verwandt sein könnten. Aber ich habe nicht Klee malen können." In Herbert Enkes Bildern ist ein ständiges Befremden des Künstlers mit der ihn umgebenden Welt spürbar, aber es ist darin auch viel Licht und Glanz. Der Maler, der 1978 nach Güterfelde übersiedelte, lebt heute im Wohnstift Augustinum. Am gestrigen Sonntag, dem 14. Dezember, feierte Herbert Enke seinen 90.Geburtstag – Herzlichen Glückwunsch!
Kirsten Graulich
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