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Von Henry Klix: „Wie es steht und liegt“
In den turbulenten Nachwendejahren hat die Gemeinde Ferch aus Versehen eine Straße verkauft
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Schwielowsee - Als Amtsrat Kähne sein Mittelbuscher Land einst an Tagelöhner verhökerte, soll es drunter und drüber gegangen sein: Hier ein Haus, da eine Scheune – an Straßen wurde nicht gedacht. Auch heute ist es nicht leicht, eine Hausnummer in „Mittelbusch“ zu finden – die Adresse ist kaum eine Straße. Beispiel Familie Franzke: Ihr Haus trägt eher zufällig die Nummer 6, steht auf einer „Insel“, rundherum Wege, mit denen Nachbarhäuser erschlossen sind. Würden Franzkes auf ihre verbrieften Grenzen bestehen, dann käme einer ihrer Nachbarn mit dem Auto nicht mehr zum Gartentor.
Heute scheint es, als wenn es in den turbulenten Nachwendejahren in Ferch zugegangen ist wie vor 200 Jahren. Thomas Pielicke hatte 1995 das Flurstück 153 von der Gemeinde erworben „wie es steht und liegt“. Für einen Vermesser hatte er seinerzeit kein Geld, die Gemeinde Ferch hat es offenbar auch nicht so genau genommen. Erst vor zwei Jahren, als er ein zweites Grundstück auf der anderen Straßenseite, das Flurstück 140, dazukaufte, leistete sich Pielicke den Vermesser. Der sei aus dem Staunen nicht rausgekommen: Die kleine Verbindungsstraße zwischen Dorfaue und Roter Damm, die die beiden Grundstücke noch trennt, gehört zum Flurstück 153.
Um diese vielleicht 40 Meter lange Straße ist in Mittelbusch ein Streit entbrannt, der die gute Nachbarschaft am Waldesrand auf eine harte Probe stellt: Pielicke will die Durchfahrt sperren und seine beiden Grundstücke verbinden. Damit trennt er eine kleine Verbindungsader des Dorfs im Dorfe, die Achse zwischen dem Dorfanger, der gerade asphaltiert wird, und dem Rotem Damm, auf dem sich der Europaradweg befindet.
Von der Westseite Mittelbuschs wird der Weg der Kinder zum Schulbus an der Buswendeschleife der Fercher Straße gekappt. Und von der Ostseite kommen die Leute nicht mehr zum Wald, um ihre Hunde auszuführen, Pilze zu sammeln oder die Blumen auf dem Friedhof zu gießen. „Der Umweg bis zum Ortsausgang über den Europaradweg und die Fercher Straße beträgt bis zu 800 Meter“, hat Heinz Franzke ausgemessen. Und Rüdiger Lehmann muss Angst um die Sicherheit seiner beiden Kinder haben, die auf dem Weg zum Schulbus nun plötzlich zweimal die Fercher Straße, die Hauptstraße durch Ferch, überqueren sollen – an unübersichtlichen Kurven, an denen Raser gelegentlich im Gartenzaun landen.
50 Unterschriften wurden gegen den Wegfrevel gesammelt. Die Protestler haben dem Rathaus Fotos und alte Karten vorgelegt, um zu belegen, wie lange der Weg schon existiert. Eine Straßenlaterne und zwei Verkehrsschilder gibt es, im Winter wurde früher gestreut. Zudem argumentieren Mittelbuscher wie Lehmanns oder Franzkes, dass in Pielickes Straße seit der Wende Wasser- und Stromleitungen, noch im Jahr 1997 eine Gasleitung neu verlegt wurden. „Auf privatem Grund?“, wundert sich Edelgard Franzke. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) bestätigt in Antwortschreiben an erboste Mittelbuscher, dass es so gewesen ist.
Dafür, die Straße offen zu halten, sieht die Bürgermeisterin derweil keine Chance: Die Beweislast, dass es sich um eine „öffentlich gewidmete Straße“ handelt, liege bei der Gemeinde, so Hoppe. Ein altes Fercher Straßenverzeichnis reiche als Beleg nicht aus. „Eine ausdrückliche Widmung liegt nicht vor.“ Und Versorgungsleitungen könnten durchaus auf privatem Grund verlegt werden, wenn der Eigentümer Dienstbarkeiten einräumt, so Hoppe. Nicht mal das ist laut Thomas Pielicke geschehen.
Er stellt sich seinerseits als Opfer dar – die Gemeinde habe 1997 ungefragt Leitungen auf seinem Privatland verlegt. Die Möglichkeit, hier ein unterkellertes Haus zu bauen, sei deshalb eingeschränkt. „Ich könnte darauf bestehen, dass die Leitungen umverlegt werden, das würde 100 000e kosten“, sagt Pielicke. Dass er es nicht tut, so findet er, zeigt seine Kompromissbereitschaft. Viele Mittelbuscher sehen das anders. Sie wünschen sich, dass Pielicke – wenn schon nicht den bestehenden Weg – im Sinne der guten Nachbarschaft eine Alternative an seiner neuen Grundstücksgrenze anbietet, damit wieder einigermaßen geordnete Verhältnisse auf Kaehnes altem Gutsland einkehren. Die Gemeinde prüft derweil billigere Varianten: Eine Verlegung der Bushaltestelle, Tempo 30 in der Fercher Straße
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