KulTOUR: Wie gemalt
Diana von Bohlen stellt ihre Digitalkunst im Landhaus Ferch aus
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Schwielowee - Es ist mehr in den Dingen drin, als das Auge erkennt, oder als das Licht preisgeben will. Wer könnte beispielsweise in einer blaugetönten Pfingstrose das schöne Antlitz von Morpheus entdecken, dem Herren des Schlafes? Wer würde bei „entspannt“ zwei Zahnputzbecher als Bildgrundlage wiedererkennen? Trotzdem sind sie quasi „drin“. Um Inhalte, Erkennen und/oder Wiedererkennen geht es der Neu-Fercherin Diana von Bohlen in ihrer bildkünstlerischen Arbeit, um Kreativität.
„Früher“ malte sie „abstrakt“, dann machte sie eine lange, schöpferische Pause, um dank modernster Digitaltechnik und mit neuen Ideen jetzt wieder durchzustarten. Wie das aussieht, kann man derzeit im Gastraum des Landhauses Ferch gleich neben der Badeanstalt anschauen, wo sie auch wohnt. Sie spricht selbst von einer innovativen, „sehr ausgefallenen Arbeitsmethode mit Fotos“, was gelten wird, so lange ihr niemand das Gegenteil beweist: In der „Foto-Community“ des Internet jedenfalls stehen ihre Sachen einzigartig, also ur=sächlich, da.
Es handelt sich um eine spezielle und gewiss auch kreative Spielart der digitalen Bild-Bearbeitung, die vielleicht beweisen kann, wie sehr sich das Foto allmählich dem handgemalten Bild anzugleichen versteht. Vielleicht. Ein bisschen zeigt „Kulturschock“ im Entree-Bereich noch die Spuren dieser Methode. Diana von Bohlen sah in einem Potsdamer Einkaufs-Center, wie sich eine reale Szene mit Autos und Verkehrszeichen in einer Fensterscheibe spiegelte. Nach der Auf-Nahme zog oder verschob sie die real vorhandenen Formen, Farben oder Pixel so lange, bis ein ganz anderes Bild entstand.
Bei „Kinder suchen Liebe“ hatten ein paar Kugelschreiber im Licht als Vorlage fürs Figurative herzuhalten, anderswo Rolltreppen, Bananenblätter oder zwei Äpfel, deren einer Stiel die beiden Fruchtkörper trennte und band. Diese durch Zufall entdeckte Methode ist erstaunlich und heikel zugleich. Sie gibt dem Bearbeiter jede Möglichkeit, ganz nach Gusto aus einem Etwas etwas ganz anderes zu machen, ja, aus totem Zeug sogar Figuren zu ziehen, so lange nur die Gesetze der Optik gelten. Andererseits sind diese einunddreißig „Paint-Pictures“, alle in Color, natürlich faszinierend.
Makro- und Mikro-Strukturen, Abstraktes und Konkretes, Sinnliches und Formales – jedes Ding ist der „Grund“ für seine eigene Veränderung, für Willkür und Spiel, wozu auch die Titulierungen gehören. Zwei Äpfel haben sich eben „getroffen“, ein roter „Vielfraß“ erwächst aus den alten Gartenstühlen um die Ecke. Unmöglich, wenn er dort nicht bereits „angelegt“ oder „enthalten“ wäre.
Die Hand an der Maus ist der Herrscher über jedes Vor-Bild, das zugleich ein anderes wird. Die Spuren des einen sind nicht getilgt, nur oft bis zur Unkenntlichkeit verwischt, verzerrt. Nicht wenige sehen jetzt tatsächlich aus „wie gemalt“. Die Künstlerin legt größten Wert auf die Feststellung, nur mit dem zu arbeiten, was in einem Bild bereits drin ist, besonders meint sie die Farben.
Die fertigen Arbeiten haben zweifelsfrei ästhetische Qualitäten, wirken somit im Nahfeld von Kunst. Niemand sieht ja die Caputher Brücke im Titel „Spontanes Treffen“, den Altschrott bei „leidend“. Es sind Hybride zwischen Fotographie und Malerei: Das Original wird zum Materialwert, die Metamorphose zum Schöpfungsakt, Elektrizität ist der Antrieb. Die Rezeption indes verweigert jede Rückkehr zum Ursprung, so man nichts von ihm weiß.
Gerold Paul
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