
© Irma Jentzsch
Potsdam-Mittelmark: Wie Radekes um den Fernsprecher kämpften
„Heimatgeschichtliche Beiträge 2011“ mit zwölf Beiträgen zur Werderaner Stadtgeschichte
Stand:
Werder (Havel) - In Berlin wurde 1881 das erste Fernsprechamt in Deutschland eröffnet. Bald darauf sollen sich auch die ersten Werderaner um die neue Technik bemüht haben. Als die Gebrüder Radeke, Betreiber eines Fruchtsaftbetriebs und einer Schnapsbrennerei, Anfang der 1890er Jahre bei der Kaiserlichen Oberpostdirektion in Potsdam ein bisschen drängelten, verlangte die Postverwaltung eine Gewährleistungsurkunde: Mindestens zehn Teilnehmer müssten sich für fünf Jahre vertraglich binden, man wollte eine Einnahmegarantie von 400 Mark für Gespräche aus Werder.
Seit 1983 bringt der Werderaner Heimatverein Jahr für Jahr die „Heimatgeschichtlichen Beiträge“ heraus – „ein Kompendium, aus dem man schöpfen kann“, so Bürgermeister Werner Große. Gestern wurde im Rathaus der neueste Jahrgang vorgestellt. Auf 64 Seiten finden sich zwölf Artikel, die von Fachautoren und Mitgliedern des Heimatvereins recherchiert wurden. So schrieb Heimatvereins-Mitglied Kurt Pape über den Bau des ersten Fernsprechamtes in der Stadt.
Es sollte demnach noch einige Zeit dauern, bis die Bemühungen der Gebrüder Radeke erfolgreich waren. Erst im April 1898 schloss Bürgermeister Dümichen einen Vertrag mit dem Kaiserlichen Postinspektor Fuhrmann zum Bau der Telegraphenleitungen, der in den darauffolgenden Wochen dann nicht ohne Proteste vor sich ging. Bewohner der Potsdamer Straße beschwerten sich erfolglos, dass die Telegrafenmasten 40 Zentimeter vom Zaun entfernt auf dem Gehweg platziert worden seien und Fußgänger behinderten. Am 3. Juli 1898 konnte der „öffentliche Fernsprechbetrieb mit Handvermittlung“ aufgenommen werden, zunächst mit 17 Teilnehmern.
Das neue Heimatheft ist wieder prall gefüllt mit solchen Anekdoten, auch aus jüngerer Zeit. So erfährt man, wie der bekannte DDR-Karikaturist Gerhard Vontra in den 80er Jahren das Werderaner Kleinstadtmilieu einfing oder mit welchem Aufwand im vorigen Jahr die verschollenen Kronleuchter der Bismarckhöhe detaillegetreu nachgebaut wurden. Der Redakteur der Heimatbeiträge, Baldur Martin, setzt seine Reihe über Pesönlichkeiten aus Werder fort. Diesmal geht es um die vor drei Jahren verstorbene Irma Jentzsch, die der Stadt einen großen Fundus von Heimatgedichten und Fotos, zum Beispiel vom Mühlenbrand im Jahr 1973, hinterließ.
Auch die „ältere Geschichte“ kommt nicht zu kurz: Von Willi Hanke gibt es einen weiteren Aufsatz über seine Zeit als Werderaner Pfarrer zwischen 1949 und 1954. Barbara Czycholl berichtet über Werdersche Ziegeleien am Glindowsee. Und der Postkartensammler Erhard Schulz hat auf Grundlage mehrerer Kartenmotive zu einer „Obst- und Obstverwertungsausstellung“ recherchiert, die im Jahre 1907 mit großem Aufwand zwischen Eisenbahnstraße und Föhse aufgebaut wurde. Nach einigen Absatznöten – offenbar durch zunehmende Auslandskonkurrenz – wollte die Stadt der Obstwirtschaft wieder auf die Beine helfen.
Noch wenige Jahre zuvor waren es vor allem die Obstfabrikanten wie Bachmann, Beerbaum, Lendel und natürlich Radeke, die den Fortschritt nach Werder gebracht hatten. Sie waren unter den ersten Kunden des Fernsprechamtes. Das Interesse an der neuen Technik wuchs rasant, 1914 soll es laut Papes Recherchen schon 180 Anschlüsse und 40 Nebenanschlüsse in Werder gegeben haben. Im Jahr 1927 dann löste ein „Selbstanschluss“ die Dame vom Amt ab. Wie es weiterging, so Pape, „wäre noch zu berichten“.
Die „Heimatgeschichtlichen Beiträge 2011“ sind für 7,50 Euro in Werder erhältlich in „Der Buchladen“, Auf dem Strengfeld 3a, und in der Buchhandlung Hellmich, Brandenburger Straße 161.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: