KulTOUR: Wie von einem anderen Planeten
Werder (Havel) - Claus Müller-Schloen ist ein Maler mit dem Hang zum Bizarren, seine Bilder wie von einem anderen Planeten: Unwirkliche Felsen und Moore mit unwirklicher Vegetation, mal sind Menschen in seinen Landschaften, zum Suchen klein, mal treten sie in Horden auf. Nett und freundlich wirkt keiner.
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Werder (Havel) - Claus Müller-Schloen ist ein Maler mit dem Hang zum Bizarren, seine Bilder wie von einem anderen Planeten: Unwirkliche Felsen und Moore mit unwirklicher Vegetation, mal sind Menschen in seinen Landschaften, zum Suchen klein, mal treten sie in Horden auf. Nett und freundlich wirkt keiner.
In einem seiner Bilder zeigt der Maler eine Landschaft mit Fernblick zur Stadt. Ein Mann, der an einer Dolme lehnt, eine Nackte, die zur Zivilisation herüberblickt. Ein Teil der Gewächse lebt, ein anderer Teil ist verdorrt. Dieses Werk hat der Kurator Frank Weber als Titelbild für den Flyer zur neuen Ausstellung in der Werderaner Stadtgalerie Kunstgeschoss gewählt. Es sagt alles über den Zustand der Welt, und alles über den Maler.
Müller-Schloen ist durch die tiefgründige Leipziger Schule gegangen, baute eine eigene Druckerpresse für Tief und Hochdruck, mischt sich noch immer seine Lithokreide selbst, fertigt seine Rahmen mit Geschick. Und zu allem Übermaß kann er auch noch Sinnen und Malen ganz wie die Alten. Von ihnen hat er gelernt, Hieronymus Bosch und Hecules Seghers, Max Ernst, Salvador Dalí, Volker Stelzmann und Arno Rink. Trotzdem gibt es unter dem Dach vom Kunstgeschoss ein großes Selbstporträt, ihn in reifen Jahren vor Stapeln abgelegter Mappen zeigend, es ist mit „Selbst mit vertaner Zeit“ betitelt. Das sollte nicht melancholisch sein?
Was einem bei dieser opulenten Schau aus Malerei und Grafik sowie einer Serie von Schwarzweiß-Fotos aus dem verkommenen Leipzig von einst zuerst auffällt, ist die ungeheure Meisterschaft im Handwerklichen. Allein das ist schon große Kunst. Untergrundmalerei, feinste Lasurtechnik, Schichtungen, Höhungen der raffiniertesten Art. Das alles am scheinbar ausgedachten Thema, den vielen Moorlandschaften im Gegenlicht.
Bei Claus Müller, der seit 1991 im mecklenburgischen Alt-Schloen lebt und arbeitet – daher auch der Künstlername Müller-Schloen– , ist alles Geist, alles bedeutsam. Wie sagte doch Parmenides: Nicht-Sein ist völlig unmöglich! Von dieser Art sind seine Bilder. Ein lachender Häscher hat Johannes Baptista den Kopf abgeschlagen, wie ein Dunst geht Salome damit davon. Verrückte Leute und Dürers Melancholie dabei, ein Mini-Gärtner, der am sterbenden Holz schneidet, ein Mann, der den Abgrund versucht. Alles ist auf Vergänglichkeit abgelegt, alles morbid.
Auch diese fantastisch guten Drucke auf Stein, Kupfer oder Stahl sind voller Hintersinn: die zerrissene Fahne, das zerbrochene Ei auf der uralten Stele, dazu der Titel „Von Anfang an in gehobener Position“, die zerbrochene Leiter über dem Abgrund, der Weg der Weiden. Für den Künstler ist gar nichts wirklich und fest, die Dinge sind am besten im Gegenlicht zu erkennen, indes der Boden unter den Füßen sumpfig ist, nirgendwo ein Halt. Und auch die Zukunft, die rückt genau so weit von einem weg, wie man sich ihr nähert.
Mit dieser wundervollen Ausstellung in Werder begegnet man einer durch und durch wahrhaftigen Lebensposition. Was da skurril erscheint, ist blanke Wahrheit, das lässt sich Bild um Bild bezeugen. Man möchte sogar im Kunstgeschoss übernachten, um diese ganze Fülle dieser Sinn- und Lesebilder aufzunehmen. Sie alle gehören zu Claus Müller-Schloen, sie sind der wesentliche Teil seiner selbst. Gerold Paul
Die Ausstellung im Kunstgeschoss, Uferstrasse 10, ist bis zum 31. August donnerstags, samstags und sonntags von 13 bis 18 Uhr zu sehen.
Gerold Paul
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