Potsdam-Mittelmark: Wieder Leben einhauchen
Historisches Heizkraftwerk soll Ort für erneuerbare Energie werden
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Beelitz-Heilstätten - Gewöhnlich wird bei einem Heizhaus an Wärme gedacht. Doch das erwies sich am Samstag als Irrtum wie einige Besucher schnell merkten, die zum 10.Geburtstag des Fördervereins „Heiz-Kraft-Werk Beelitz-Heilstätten“ gekommen waren. Denn seit die sowjetischen Truppen 1994 abgezogen sind, ist das Heizhaus nicht mehr in Betrieb. Eingeheizt wurde aber dennoch am Samstag und zwar zünftig mit Wodka, um dem nasskalten Wetter zu trotzen. Das Jubiläum war auch Anlass über die weitere Nutzung der denkmalgeschützten Anlage nachzudenken, die als erstes deutsches Fernheizwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung in die Geschichte einging. Erstmals angeheizt wurde 1902, als der erste Bauabschnitt der Lungenheilstätte eröffnet wurde. Zwei Dampfmaschinen mit Gleichstromgeneratoren versorgten zunächst die Klinik mit Elektroenergie. Wasserturm, Wasseraufbereitung und Stangeneisproduktion sicherten eine unabhängige Versorgung der Einrichtung ab, die seinerzeit der um sich greifenden Tuberkulose den Kampf angesagt hatte.
Nun hofft der Förderverein auf eine Renaissance des technischen Denkmals, das in den letzten Jahren vor allem Künstler als Veranstaltungs- und Ausstellungsort entdeckten. Doch Fördervereinsvorsitzende Elke Seidel ist überzeugt, dass auch erneuerbare Energien an diesem Ort eine Zukunft haben könnten. Neben Energieträgern wie Wind und Sonne sieht sie besonders Chancen für die stoffliche Verwertung von Biomasse. Ein Kooperationsvertrag zwischen Verein, Landkreis und der Potsdamer Fachhochschule soll nun für einen neuen Schub sorgen. Denn nicht nur Landrat Lothar Koch beklagte am Samstag, dass in dem Areal zu wenig passiere. Dabei habe der Landkreis Mut bewiesen als er das Heizhaus Süd sanieren ließ.
Interessantes hatte am Samstag Toni Obereisenbucherer, der 1976 die Leitung des Heizhauses übernommen hatte, zu berichten. Er schilderte seine Eindrücke als deutscher Zivilangestellter, deren Arbeitsbedingungen besser als die russischer Mitarbeiter waren. Als Leiter wurde ihm zusätzlich der Status zuteil „zur besonderen Verwendung des Kommandanten“. Das hieß auch, Unmögliches zu vollbringen, wenn es darum ging Ersatzteile zu organisieren. Deshalb waren Selbsthilfe und Improvisation gefragte Tugenden. Auch die Elektrofirma Siebke, die in den 60iger Jahren das Mittelspannungsnetz erweiterte, machte ähnliche Erfahrungen. Weil von dem militärischen Objekt keine Pläne herausgegeben werden durften, musste sich der Meister alle Details der Anlage merken. Die Zeit nach dem Truppenabzug erlebte Toni Obereisenbucherer als Desaster. Denn kurz nachdem auch der Kommandant das Objekt verließ, demontierten viele Deutsche einfach die Armaturen, weil darin Quecksilber war. Ein Schrotthändler aus Celle rückte sogar mit einem Kran an, um eine Pumpe auszubauen. Auch die Diesellok wurde einfach nach Seddin abgeschleppt. Dass vieles doch noch für spätere Generationen erhalten blieb, ist dem Förderverein, der Stadt Beelitz und dem Landkreis zu verdanken. Solch Rückblick, soviel wurde klar, ist unentbehrlich, wenn dem Denkmal demnächst wieder „Leben eingehaucht werden soll“. K.Graulich
K.Graulich
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