Potsdam-Mittelmark: Wiedergeburt als Wohnensemble
Alte und neue Kapitel des Hotels Stadt Wien auf der Inselstadt Werder
Stand:
Werder (Havel) - Dank schneller Arbeit Verwaltung konnte für den hinfälligen historischen Gebäudeensemble des Hotels „Stadt Wien“ noch im alten Jahr die Baugenehmigung erteilt werden. Alle Vorbereitungen sind so weit gediehen, dass Ende Februar die Sanierung und Umgestaltung des baulichen Konglomerats beginnen kann. Es besteht aus sieben Häusern unterschiedlichen Alters und verschiedenartiger Nutzung, dessen Geschichte in Gestalt eines modernen Wohnensembles fortgeschrieben wird.
Auf dem etwa 1 600 Quadratmeter großen Areal war 1617 die erste Werdersche Brauerei mit Braurecht für Schankzwecke entstanden. An gleicher Stelle gründeten Schultze und Hildebrand um 1840 eine industriell arbeitende Brauerei. Das langgestreckte Fabrikgebäude wurde mehrfach umgebaut, durch ein Maschinen- und Kesselhaus erweitert, diente zeitweilig der Obstverwertung, als Großwäscherei und angeblich auch als Kinosaal. Zur Brauerei gehörte u. a. ein Wohnhaus, welches das Büro der Wäscherei und ab 1927 eine Säuglings- und Lungenfürsorgeeinrichtung beherbergte.
Das Gebäude an der Marktseite, ursprünglich ein Fachwerkbau, der den Brauereibesitzern als Wohnung und Ausschank diente, erhielt seine neue Gestalt und Funktion als Hotel um 1890. Den zweigeschossigen Putzbau ziert eine Stuckfassade mit klassizistischen Elementen. Das als Hotel und Restaurant zur „Stadt Wien“ geführte Haus hatte Küchen- und Wirtschaftsräume im Keller, der durch einen Speisenaufzug mit dem vornehm gestalteten Restaurant im Erdgeschoss verbunden war. Vom Schankraum ging es in den um 1900 angefügten Festsaal mit Kreuzstockfenstern, Holzklappläden und hofseitigem Bühnenanbau. Hotelzimmer und Pächterwohnung befanden sich im ersten Stock, Kammern für Bedienstete im Dachgeschoss.
Das Hotel profitierte vom Boom des Baumblütenfestes und erreichte einen guten Ruf. Im Jahre 1900 warb Ökonom Emil Knorr für das „vom großstädtischen Publikum mit Vorliebe besuchte“ Haus und bot „Sommer-Pension zu mässigen Preisen“. In der warmen Jahreszeit konnten die Gäste auf dem Bürgersteig unter zwei hohen Platanen Platz nehmen. 1905 wurde das Hotel im Wanderbuch der Mark Brandenburg genannt und gelobt. In den 30er Jahren warben die Inhaber vor allem mit dem Festsaal für Gesellschaften und Vereine sowie niedrigen Übernachtungspreisen zwischen zwei und fünf Mark pro Person.
Die Nutzung als Hotel und Gaststätte wurde um 1955 eingestellt. Danach diente das Erdgeschoss der Konsumgenossenschaft als Möbellager, das Obergeschoss drei Mietern als Wohnung und das Ganze wiederholt als Filmkulisse. 1977 schlugen Studenten der Ingenieurschule für Bauwesen Berlin in einer Studie vor, das Objekt zu einer öffentlich nutzbaren Gemeinschaftseinrichtung für den Veteranen- und Stadtclub Werder umzugestalten.
Nach der Wende suchte man nach einem Investor, der das desolate Bauwerk saniert und seiner alten Bestimmung zuführt. Da sich in den folgenden Jahren niemand fand, prüfte die Stadtverwaltung 2001 den Vorschlag, das Gebäude als zweites Rathaus für die Mitarbeiter aus der Eisenbahnstraße herzurichten. Auch daraus wurde nichts.
Nun wagen die Architekten Anne Lampen und Detlef Grüneke von der amp GmbH und Betriebswirtin Anne Wulf die Wiedergeburt zu einem modernen Wohnensemble. Dabei sollen die Individualität der einzelnen Häuser und denkmalpflegerische Aspekte berücksichtigt werden. 24 Eigentumswohnungen unterschiedlicher Größe und Zuschnitte entstehen in Gestalt von Lofts, Dachgeschosswohnungen, Mini-Appartements oder Maisonetten, die heizungs- und wasserseitig mit Erdwärme gespeist werden. Parkanlage, Grill- und Spielplatz im Innenhof komplettieren das Ensemble, in dessen vorderen Teil im Oktober die ersten Bewohner einziehen sollen.
Josef Drabek
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