Potsdam-Mittelmark: Wildenbrucher Mordprozess geplatzt
Auf freiem Fuß befindlicher Angeklagter erschien nicht / Nun sucht die polnische Polizei
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Michendorf · Wildenbruch - Anfang September hatte das Landgericht eine Ladung an die Adresse von Leszek F. in Polen gesandt. Der Rückschein des Einschreibens kam wenig später retour, unterzeichnet von der Ehefrau des 36-Jährigen. Seit gestern sollte sich der Mann wegen Mordes aus Heimtücke sowie Raubes vor der Schwurgerichtskammer verantworten. Doch der von seinem Verteidiger Steffen Kalauch als „eher ohne feste Wohnanschrift und mittellos“ charakterisierte Pole erschien nicht. Zwei Stunden wartete die Kammer unter Vorsitz von Frank Tiemann auf den Angeklagten. Dann erließ sie Haftbefehl. Nun obliegt es der polnischen Polizei, den trotz dringenden Mordverdachts auf freiem Fuß befindlichen Tatverdächtigen aufzuspüren.
Laut Staatsanwaltschaft soll Leszek F. am 8. Februar 1996 in der Absicht, eine Schlafstätte und Getränke zu finden, in einen Bungalow der Wildenbrucher Gartensparte in der Grenzstraße eingebrochen sein. Danach habe er sich entschlossen, einen Nachbarn, der in seinem Sommerhäuschen gerade nach dem Rechten sah, zu überfallen, um dessen VW Golf zu stehlen. Leszek F. soll den damals 59 Jahre alten Walter G. mit einem Kantholz niedergeschlagen, ihm danach drei Messerstiche in die Brust versetzt haben. Danach habe er ihm die Brieftasche mit 250 Mark und die Fahrzeugschlüssel abgenommen, sei mit dem Auto davongefahren. Die Ehefrau und ein Bekannter fanden das Opfer, alarmierten den Notarzt. Der konnte allerdings nur noch den Tod durch Verbluten feststellen.
Unmittelbare Zeugen der brutalen Tat gibt es nicht. Einziger Anhaltspunkt für die Ermittler waren zunächst eine Zigarettenkippe im Aschenbecher des im Alt-Bundesgebiet aufgefundenen grünmetallic-farbenen Golf von Walter G. sowie ein Fingerabdruck auf der Beifahrerseite. Bis die auf dem Zigarettenstummel gesicherte DNA Leszek F. zugeordnet werden konnte, bis klar war, dass der Fingerabdruck von ihm stammte, ging viel Zeit ins Land. Während der polizeilichen Ermittlungen beteuerte der Pole, er habe lediglich als Beifahrer in dem Golf gesessen. „Es wird ein Indizienprozess“, ist sich Verteidiger Kalauch sicher.
Als die Staatsanwaltschaft im August 2005 Anklage erhob, saß der Mordverdächtige seit dem Frühjahr in Untersuchungshaft. Das Landgericht befand, die Beweislage sei zu dünn, es eröffnete das Verfahren gegen Leszek F. nicht. Der wurde im Oktober aus dem Gefängnis entlassen. Nach einer Beschwerde der Ermittlungsbehörde verfügte das Oberlandesgericht im Dezember vorigen Jahres, der Prozess solle stattfinden. Aus seiner Sicht würden die Beweise ausreichen. Dann dauerte es ein ganzes Jahr, einen Termin zu finden. Und der ist gestern geplatzt.
Eigentlich sollte es am 11. Januar 2007 mit der Befragung der ersten Zeugen losgehen. Ein Urteil war für Mitte März avisiert. Da allerdings nicht damit zu rechnen ist, dass der Angeklagte so schnell verhaftet werden kann, um den Prozess fristgemäß fortzuführen, wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt. Die Kammer rechnet im Februar oder März mit einem Neubeginn. Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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