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Der Schwarze Berg in Töplitz. Zwischen Autobahn, dem brach liegendem Kinderdorf (Bild) und Wald sollen 70 Asylbewerber in einem Bauarbeiterhostel unterkommen.

© hkx

Flüchtlingsunterkünfte in Potsdam-Mittelmark: Willkommen in der Pampa

Asylheime im Landkreis sind zunehmend in der Einöde zu finden. Nach dem Bauarbeiterhostel fernab von Töplitz soll nun auch das leer stehende Pfötchenhotel jenseits von Beelitz Flüchtlinge beherbergen

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Werder (Havel)/Beelitz - Kein Bus, kein Geschäft, keine Bewohner. Tiefste märkische Einöde, weitab von Töplitz. Bei einem Vor-Ort-Termin von Behörden ist am Montag ein Polizeiauto so fest im Schlamm des Schwarzen Berges stecken geblieben, dass ein Abschleppunternehmen gerufen werden musste. Dass in Nachbarschaft des früheren Töplitzer Kinderdorfes ein abgelegenes Bauarbeiterhostel zur Unterbringung von 70 Asylbewerbern taugt, glaubt auch in der Kreisverwaltung niemand wirklich. Auch wenn man öffentlich anders spricht.

Der Landkreis spricht von der Kapazitätsgrenze

2150 Asylbewerber hat der Landkreis derzeit untergebracht, die Einwohnerzahl eines großen Dorfs. Mehrfach war in den vergangenen Wochen von der „Kapazitätsgrenze“ die Rede. Die Lage im Landkreis ist inzwischen so ernst, dass gestern ein weiterer Standort weitab von Siedlungskernen genannt wurde, der benötigt wird, um den Flüchtlingsstrom zu bewältigen: das frühere Pfötchenhotel in Beelitz. Willkommen in der Pampa!

Die völlig abgelegene Tierpension steht wegen der Insolvenz seit Monaten leer. Den Mietvertrag schließt der Landkreis mit der Insolvenzverwalterin, sagte Kreissprecher Kai-Uwe Schwinzert gegenüber den PNN. Es sei geplant, schrittweise bis zu 100 Personen in den bezugsfertigen Gebäuden unterzubringen. Dass weitere Landimmobilien in der mittelmärkischen Einöde benötigt werden, scheint sicher. „Es wird sich irgendwann die Frage stellen, wie man die Situation für die Flüchtlinge an solchen Standorten abmildern kann“, räumt Schwinzert ein.

Eine abgelegene Bundeswehrkaserne als Asylheim

Alternativen gibt es offenbar nicht: Laut aktueller Statistik haben die teilweise erst dieser Tage eröffneten Asylunterkünfte in Bad Belzig, Beelitz, Brück, Groß Kreutz, Seddiner See, Stahnsdorf und Teltow sowie die im Kreis verteilten Privatunterkünfte 2500 Unterkunftsplätze. Davon sind noch 350 frei, erwartet werden aber – allein bis Jahresende – noch 800 Asylbewerber.

Womöglich lernen sie die märkische Weite schneller kennen, als ihnen lieb sein kann: Erst in dieser Woche ist bei Brück eine Bundeswehrkaserne für 180 Flüchtlinge bereitgestellt worden, die Ortschaft Brück ist anderthalb Kilometer entfernt. Mitten im Wald befindet sich die Asylbewerberunterkunft im Ferienlager Hohenspringe. Die nächste Ortschaft ist vier Kilometer weit weg, heißt Gräben und hat 500 Einwohner. Die einzige Gaststätte dort wurde vor einigen Jahren dichtgemacht, Einkaufsmöglichkeiten? Fehlanzeige.

Jetzt werden bislang undenkbare Kompromisse gemacht

Schon der Fall des Töplitzer Bauarbeiterhostels zeigt, welche Kompromisse inzwischen eingegangen werden: Die Immobilie ist dem Landkreis von der Stadt Werder vorgeschlagen worden – gewiss in der Hoffnung, dass dort ohnehin niemand untergebracht werden kann, wie es aus dem Landratsamt heißt. Eine Fehleinschätzung, noch im Dezember soll die Notunterkunft bezogen werden.

Eigentümer der Immobilie ist die Mola Entwicklungsgesellschaft UG aus Berlin. Bis zum Töplitzer Ortszentrum, in dem es einen Tante-Emma-Laden gibt, sind es zweieinhalb Kilometer. Ans zentrale Wasser- und Abwassernetz ist die Anlage nicht angeschlossen. Der Töplitzer Ortsvorsteher Frank Ringel zählt die Fragen auf, die – abgesehen von den 2,5 Kilometern bis zum Töplitzer Ortskern – beim Vor-Ort-Termin am Montag offengeblieben sind: Dichtigkeit der Abwassergrube, Trinkwassereignung des Brunnens, viel zu kleiner Löschwasserteich, Zufahrt für die Rettung und extremer Autobahnlärm. Ringel: „Ich weiß nicht, wie man das noch im Dezember hinbekommen will.“

Der Kriterienkatalog des Landratsamtes ist Makulatur

Doch das Landratsamt scheint zuversichtlich: Die Wasserversorgung durch Brunnen sei möglich, ebenso sei die Entsorgung des Abwassers mittels abflussloser Grube „vorschriftsgemäß zu realisieren“, meint Kreissprecher Schwinzert. Die Löschwassermenge sei aus Sicht der Feuerwehr ausreichend. Von extremem Autobahnlärm – zur A10 sind es etwa 100 Meter – könne auch nicht die Rede sein.

Einzig die Zufahrt zum Objekt sei nach jetzigem Stand tatsächlich für Rettungszwecke „nicht ausreichend ertüchtigt“. Früher war in dieser Höhe ein Autobahnparkplatz mit Imbiss. Der soll nun wieder als Zufahrt geöffnet werden – ausschließlich zu Rettungszwecken und für die Feuerwehr, wie Schwinzert betont. Ganz offenbar, damit es nicht erneut zu einem Malheur wie am Montag mit dem Polizeiauto im Schlick kommt.

Hält sich der Landkreis mit solchen Immobilien überhaupt an seine eigenen Maßgaben? Die Anbindung an die öffentliche Infrastruktur müsse in zumutbarer Nähe sein, Einkaufsmöglichkeiten, Arzt und Schule erreichbar sein, heißt es im Kriterienkatalog des Landratsamtes für Vermieter, der im Internet zu finden ist. Doch der scheint Makulatur zu sein: Laut Kai-Uwe Schwinzert würden die Kriterien für befristete Notunterkünfte wie in Töplitz „nicht derart gelten, dass eine Unterbringung ausgeschlossen wäre“. Es reiche aus, wenn im Zwei-Kilometer-Umkreis eine Bushaltestelle ist. Und das sei am Schwarzen Berg der Fall.

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