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Wechselvolle Geschichte: Das Caputher Schloss.

© Kitty Kleist-Heinrich

KulTOUR: Wimpernschlag der Geschichte

Rückblick und Konzert: Gelungener Auftakt im Jubiläumsjahr „350 Jahre Schloss Caputh“

Stand:

Schwielowsee - Während in Potsdam wieder einmal mit allen Kräften daran gearbeitet wird, „Eff-Zwo“ zum Größten und Wichtigsten aller Zeiten zu machen, bleibt man in Caputh gelassen. Hier hat man es weder nötig, eine historische Figur von zweifelhafter Leistung künstlich aufzupusten, noch über das Bauliche zu streiten. Das einst Churfürstliche Schloss am Templiner See ist nicht nur knapp hundert Jahre älter als Friedrichs „Sanssouci“, nein, es hat seine 350-jährige, sehr wechselhafte Geschichte auch fast unverändert überstanden, wie Kastellanin Petra Reichelt zum kulturellen Jahresauftakt am Ostersonntag nicht ohne Stolz wissen ließ. Bescheidenheit ehrt ja bekanntlich!

Mit zwei guten Vorträgen und einem höchst belebenden Konzert stimmte die heutigen Schloss-Herrschaft aus der Familie der Stiftung „Preußische Schlösser und Gärten“ ihr Publikum auf das Jubeljahr „350 Jahre Schloss Caputh" ein. Obwohl das neue Kassensystem des Schlosses den Ansturm der Besucherschaft am Sonntag noch nicht packte, war der „westliche Anbau“, ein Produkt aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts, rappelvoll.

Konzeptionell war die Sache gar nicht so schlecht gedacht. Zuerst führte Carmen Hohlfeld, die diensthabende Archivarin der Gemeinde, durch 350 Jahre Caputh, was sie poetisch einen „Wimpernschlag der Geschichte“ nannte. Dabei konzentrierte sie sich auf die Zeit nach 1648 und auf das 19. Jahrhundert. Was die Vorfahren da zu überliefern wussten, stammte meist aus der Administration. So erfuhr man Wissenswertes über den damaligen Fährbetrieb am Gemünde, über auffallend demokratische Selbstverwaltungsregularien um 1850, oder dass in jenen Jahren ganze zwei Lehrer im Schifferort Caputh je 96 Kinder pro Klasse zu unterrichten hatten.

Petra Reichelts Vortrag war ein Seitenwechsel. Er zeigte die bewegte Geschichte des Churfürstlichen Schlosses aus der Sicht all ihrer Besitzer vor und nach Churfürstin Dorothea, der ja auch das Potsdamer Stadtschloss gehörte. Das Caputher Schloss diente in der Folge als Manufakturgebäude, privates Wohnhaus und Berufsschule. Seit 1998/1999 ist es als Schlossmuseum für die Öffentlichkeit zugänglich. Sehr gescheit die Idee der Veranstalter, Orts- und Hausgeschichte mal zu kombinieren!

Im Entree für die dreistündige Veranstaltung waren nicht nur eine Schloss- und Parkbesichtigung inklusive, sondern erstmals auch ein kleines Konzert fürs „Danach“. Und was für eins! Mit dem Berliner Saxophon-Duo Christoph Enzel und Adrian Tully hatte man zwei so repertoiresichere wie experimentierfreudige Musiker gewinnen können, die in dieser nicht alltäglichen Besetzung sehr überzeugend mit den Komponisten der Alten und der Neuen Schule umzugehen verstehen – bis in die Obertöne hinein!

Sie transkribierten Telemann und den großen Carl Philipp Emanuel Bach, gaben aber auch ganz moderne Werke, wozu nicht nur das Flötenduo „Harmonie“ des Südkoreaners Isang Yun gehörte, sondern auch Komponiertes aus Christoph Enzels eigener Hand. Richtig schöne Duette, mal fragil, mal expressiv und jazzig. Kaum jemand ließ sich die musikalische Krönung dieser dreiteiligen Veranstaltung entgehen. Gut, dass man es probiert hat. Ausbaufähig ist diese Idee in jedem Fall – sozusagen von Wimpernschlag zu Wimpernschlag!

gerold Paul

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