Potsdam-Mittelmark: „Wir Bauern leben vom Blütenfest“
Veranstalterwechsel als Chance: Initiative 2008 lud in Werder zur Diskussion ein
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Werder (Havel) - Umsätze schwinden, Besucherzahlen sinken. Die Werderaner sorgen sich um ihr Baumblütenfest – der wichtigsten Einnahmequelle für die Obstbauern der Region. Im kommenden Jahr, nach dem 130. Fest, endet der Vertrag mit der jetzigen Veranstaltungsagentur. Die Neuausschreibung biete eine einmalige Chance, findet die Werderaner Initiative 2008. Sie setzt sich für eine sanftere Festvariante ein. Gemeinsam mit Parteien und Verbänden sollten gestern erste Vorschläge diskutiert werden.
Zu 11 Uhr hatte Uta Klotz, Initiativen-Sprecherin, geladen – eine Zeit, wie kritisch angemerkt wurde, in der Vielen der Sonntagsbraten wichtiger war. Dennoch füllte sich der Saal. Einzig die CDU verzichtete auf einen Platz im Podium, in dem neben Stefan Lindicke vom Obst- und Gartenbauverein Werder und Dieter Dörflinger vom Glindower Gewerbeverein je ein Mitglied von SPD, Linken, Grünen und der Aktion freie Bürger saßen.
Einfach werde es nicht, machte Dörflinger gleich zu Beginn deutlich: Das Baumblütenfest sei ein großer Tanker und nicht leicht umzusteuern. „Wir haben Kosten, die gedeckt werden müssen“, sagte Lindicke, stellvertretend für alle Werderaner Obstbauern. Dafür brauche man entsprechende Besucherzahlen – und die bekomme man mit Rummel, erklärte er. Auf 25 bis 30 Prozent schätzte Lindicke den Umsatzrückgang in diesem Jahr. Ein Verlust, den man nicht ausgleichen könne. Gerade 4000 von insgesamt 500 000 Besuchern hätte den Weg hinaus auf die Obstplantagen geschafft. Schuld seien die Negativ-Schlagzeilen. Viele Obstbauern hätten sich zurückgezogen, wollten lieber auf ihren Plantagen feiern. Auch die dürfe man in künftigen Planungen nicht vergessen. Fakt sei, bekräftigte der Glindower Obstbauer Michael Schultz aus dem Publikum: „Wir Bauern leben vom Blütenfest.“
Deshalb, sagte AfB-Mann Baldur Martin, sei er bekennender Fan des Festes – dessen ursprünglicher Gedanke es war, Geld zu verdienen. Bei neuen Vorschlägen müsse man das bedenken. Grundsätzlich sollte mehr Geld in der Region bleiben, erklärte Dörflinger. Gerade 100 der 380 Stände des vergangenen Blütenfestes seien von Einheimischen betrieben worden. „Nicht jeder Gewerbetreibende in Werder verdient an dem Fest.“ Jutta Bours-Wein (SPD) forderte, dass das Fest regionaler wird. Einheimische Produkte statt T-Shirts oder CDs und weg mit den Fahrgeschäften von der Insel. Dafür erntete Bours-Wein zustimmendes Nicken bei Uta Klotz. Die hatte zuvor den historischen Charakter der Inselstadt beschrieben, zu dem der Rummel nicht passe: „Vandalismus, Müll, aggressives Verhalten“, es seien die schlechten Gäste, die das Fest-Image zerstörten, sagte Klotz.
Eine Möglichkeit, den Spagat zwischen heimeliger Atmosphäre und Volksfest zu schaffen, wäre eine räumliche Trennung, hieß es aus dem Publikum. Früher hätte es schließlich dort, wo in diesem Jahr eine riesige Bühne stand, eine Kindermeile gegeben. Auch Hans Eckert (Linke) sprach sich dafür aus, die Insel zu entlasten. Möglich wäre, mehr Ortsteile zu nutzen.
Ein Besucherleitsystem forderte Joachim Hilburg (Grüne), der abschließend davor warnte, Negativ-Schlagzeilen zu verharmlosen. „Die Leute bleiben weg, weil sie eben schlechte Erfahrungen gemacht haben“ – und das gelte es zu ändern. Tobias Reichelt
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