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KulTOUR: Wir essen koscher!

Kleine Bühne Wilhelmshorst probt weiter

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Michendorf - Wir werden alle auf dem elektrischen Stuhl landen!, jammerte Sara Leibowitz in ihrer New Yorker Wohnküche etwas verzweifelt. Das ist sehr wohl zu befürchten, denn es war ja auch etwas Ungeheuerliches geschehen: Ihr Mann Samuel hatte nichts Geringeres getan als den Papst Albert IV. zu entführen. Nun steckt der Stellvertreter Christi demutsvoll in ihrer Speisekammer. Zumindest hörte man vorerst nichts von ihm – beim Probenbesuch der Kleinen Bühne Wilhelmshorst im Michendorfer „Apfelbaum“.

Vor fast einem Jahr hatte diese alerte Truppe am selben Ort mit drei Einaktern, darunter Curt Goetzens „Minna Magdalena“, auf ihr künstlerisch-kulturpolitisches Wollen aufmerksam gemacht. Unklar blieb, ob Regisseur Siegfried Patzer, einst „Off-Theater Kreuzberg“, weitermachen würde. Die Amateur-Eleven wollten unbedingt, er folglich auch. Nun hat man sich dieser ganz entzückenden Komödie „Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde“ vorgenommen.

Uraufgeführt im Jahre 1972, stammt das Stück aus der Feder des erfahrenen Theatermannes Joao Bethencourt, 1924 in Budapest geboren, an der Yale-Universität ausgebildet, tätig in Brasilien, genauer in Rio de Janeiro. Bis zu seinem Tode 2006 hat er viel für Bühne und Fernsehen gearbeitet. Andere Würfe wie „Der gestohlene Verbrecher“ und „Wie bringt man einen Playboy um?“ zeigen seine Nähe zur Groteske, hierin durchaus dem unvergessenen Theater-Anarchisten Dario Fo vergleichbar.

Seit Februar wird nun im „Apfelbaum“ die Sache mit dem Papst geprobt, und zwar auf eine Weise, die man Amateuren gar nicht zutrauen würde: Jeden Abend von Montag bis Freitag! In den Grundzügen steht der erste Akt, worin Sams Familie erst ungläubig, dann mit Grausen, von seiner Tat erfährt. Sara (Karina Lehmann) ist gar nicht erbaut, Sohn Irving (Thomas Drechsel) findet das ziemlich spannend, etwas schüchtern noch wirkt die junge Tochter Miriam (Vanessa Rathsack), aber noch ist Zeit, und mehr als diesen Ausschnitt hat man ja auch nicht gesehen. Einzelkritik nach dem Durchlauf: Siegfried Patzer achtet besonders auf die Protagonisten, auf Stimme, Ausdruck und Glaubwürdigkeit, scheinbar weniger auf die Figuren-Beziehungen.

Er schreibt viel mit, was dazu führte, dass er ein paar Details auf der Bühne verpasste. Hin und Her, nicht nur er ist kritisch, die Darsteller sind es auch, eine produktive Theater-Situation mit großer Korrekturbereitschaft. An Samuel (Mario Schüning) fehlt dem Spielleiter noch etwas Präzision, der Papst (Klaus-Dieter Becker) ist auffallend still, während Rabbi Meyer (Peter Peterhänsel) in seiner Schlaumeirigkeit längst erkannt hat, was die Familie nach dem Fischgericht („wir essen koscher“) dort auf dem Sofa verbergen will, Albert IV.

Weil die Leibowitz eine jüdische Familie sind und der Papst hochkatholisch, ist eine so brisante wie kunstvolle Konstellation voller Komik gegeben. Sie kulminiert als „historischer Händedruck“ zwischen dem Rebbe und Albert. Aber ohne shake hands!, fordert die Regie.

Bis zur Premiere am 16. Mai bleibt noch manches zu tun, neben dem exakten Figurengefüge ist auch der groteske Zugang zum Stoff zu bedenken, die komischen Elemente sind angelegt. Wird Kardinal OHara (Wolfgang Gnauck) noch eingreifend können, muss der Taxifahrer nun auf den bösen Stuhl? Samuel fordert ja kein Geld für seine Geisel, er will etwas für diese friedlose Welt tun. Man darf gespannt sein. Der Papst übrigens, mit Siebenundsiebzig noch „jung“, wollte ohnehin schon mal etwas „Koscheres“ probieren ...

Premiere am 16. Mai im „Apfelbaum“ zu Michendorf, 19.30 Uhr

Gerold Paul

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