Potsdam-Mittelmark: „Wir wurden von dem Schritt völlig überrollt“
Nextira-One-Mitarbeiter vom Ausmaß der Schwierigkeiten überrascht / Bürgermeister Schmidt will helfen
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Teltow - Trotz der zuletzt angekündigten Sparmaßnahmen und der im vergangenen Sommer vereinbarten Lohnkürzungen herrscht ein Tag nach Bekanntwerden der finanziellen Schwierigkeiten des IT-Vorzeigeunternehmens Nextira One Überraschung in Teltow. Am Montag hatte der deutschlandweit tätige Kommunikationsdienstleister wie berichtet eingeräumt, seit Jahren rote Zahlen zu schreiben und auf eine Zahlungsunfähigkeit zuzusteuern. Mit einer Sanierung in Eigenregie will sich Nextira One wieder aus der Krise manövrieren. Die Belegschaft ist vor allem vom Ausmaß der Probleme überrascht. „Wir wurden von dem Schritt völlig überrollt“, hieß es am Dienstag aus dem Unternehmen.
„Die Beschäftigten aber auch wir bei der Gewerkschaft sind geschockt“, sagte Stefanie Jahn von der IG Metall. Über mögliche Konsequenzen für die bundesweit rund 800 Mitarbeiter herrsche noch völlige Unklarheit. Am morgigen Mittwoch will die Geschäftsführung darüber informieren, wie es weitergeht.
Gewerkschafterin Jahn setzt allerdings Hoffnungen in das angestrebte Schutzschirmverfahren. Seit dem 1. März 2012 können Firmen, denen Zahlungsunfähigkeit droht, damit einer Insolvenz vorbeugen. Sie erhalten die Chance, die Insolvenz in Eigenregie und bei laufenden Geschäften abzuwenden. Dies soll auch vor der Zerschlagung sanierungsfähiger Firmen schützen. „Die Alu-Druckguss GmbH in Brieselang hat ein vergleichbares Verfahren zuletzt mit gutem Erfolg angewandt“, so Jahn. Dort sei sogar neues Personal eingestellt worden.
Nextira One-Geschäftsführer Bernd Ruppert will das Unternehmen jetzt grundsätzlich umstrukturieren, die Mitarbeiter erhalten während des Schutzschirmverfahrens Insolvenzgeld. Ziel, so Ruppert, sei der Erhalt des Unternehmens. Ob und wie viele Arbeitsplätze abgebaut werden müssen, sei allerdings noch unklar.
Auch Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt will sich dafür einsetzen, Nextira One in der Stadt zu halten. „Die kommunalen Möglichkeiten sind hierbei allerdings begrenzt“, räumte er ein. Dennoch wolle er persönlich Kontakt zur Geschäftsführung aufnehmen und Hilfe anbieten. Wie die aussehen könnte ist jedoch unklar, finanzielle Mittel der Stadt stehen nicht zur Verfügung. Als Gewerbesteuerzahler habe Nextira One in der Stadt bislang noch keine Rolle gespielt, so Schmidt. Das Unternehmen hatte erst Anfang vergangenen Jahres seinen Sitz von Berlin-Tempelhof nach Teltow verlegt.
Von der Landesinvestitionsbank (ILB) bekam Nextira One einen Zuwendungsbescheid für eine Lohnkostenförderung in Höhe von 9,8 Millionen Euro. Die Mittel seien noch nicht abgerufen worden, so ILB-Sprecher Matthias Haensch. Um das Geld zu erhalten, müssten Gehaltszahlungen nachgewiesen werden. „Das ist bisher nicht erfolgt.“ Nextira One hat als Auflage, 334 Arbeitsplätzen in Teltow zu schaffen. „Im Moment würden wir das Geld sowieso nicht auszahlen. Sollte sich das Unternehmen nicht selbst sanieren, wäre der Zuwendungszweck nicht erreicht. Und wir müssten zurückfordern“, so ILB-Sprecher Haensch. M. Matern/A. Lemme
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