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Potsdam-Mittelmark: Wohnen zwischen Blümchentapeten
In Teltow entsteht eine WG für Demenz mit Erinnerungshilfen
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Teltow - Wohnen zwischen Blümchentapete und Singer-Nähmaschine: Was zunächst nach einem begehbaren Museum für Alltagsgegenstände klingt, ist ein Konzept für altersgerechtes Wohnen. Die Teltower Wohnungsbaugesellschaft (WGT) baut derzeit an der Mahlower Straße ein Haus für zwölf Senioren, möglichst zum 1. April soll es eröffnet werden.
Die meisten älteren Menschen hätten Angst davor, ihr Lebensende im Pflegeheim oder Krankenhaus verbringen zu müssen, erklärt Brigitte Naumann, Geschäftsführerin des künftigen Betreibers, dem Qualitas Pflegedienst. Im Haus an der Mahlower Straße soll deshalb eine Art Wohngemeinschaft für Senioren entstehen – mit Betreuung rund um die Uhr. Das Konzept ist vor allem auf Menschen mit Altersdemenz oder Alzheimer ausgerichtet – deshalb auch die Blümchentapeten: Gegenstände aus der Vergangenheit sollen den Bewohnern helfen, sich zurechtzufinden, sich zuhause zu fühlen.
Dafür recherchieren Naumann und ihre Mitarbeiter die Biografien der künftigen Bewohner und besorgen auf Trödelmärkten oder bei Wohnungsauflösungen Alltagsdinge, die vor 50 oder 60 Jahren modern waren: Kittelschürzen, bestickte Taschentücher oder eben die Blümchentapete sollen beim Erinnern helfen. „Weiße Wände machen Demente unruhig“, erklärt Naumann. Das Konzept scheint anzukommen: „Schon jetzt stehen 90 Senioren auf unserer Warteliste“, sagte Naumann beim Richtfest am vergangenen Freitag.
Abgesehen von den Erinnerungshilfen sollen die Senioren ihre Zimmer selbst und nach eigenem Geschmack einrichten. Gut 18 Quadratmeter stehen jedem in dem ebenerdigen Haus zur Verfügung, dazu ein kleines Bad – und ein eigener Zugang zum Garten. Der ist allein aus Brandschutz-Gründen erforderlich. Gekocht und gegessen wird gemeinsam mit den Betreuern, auch ein großes Pflegebad für besondere Therapieanwendungen ist geplant. Naumann betont aber: „Abgesehen von den antiken „Erinnerungshilfen“ sind wir natürlich modern ausgestattet.“
Ganz klar soll sich das Konzept von einer Hospitalisierung Demenzkranker abgrenzen. Hier in Teltow will man sich stattdessen am Ansatz des britischen Sozialpsychologen Tom Kidwood orientieren. Von ihm stammt die Methode des „Dementia Care Mappings“, mit dem die Lebensqualität von Demenzkranken ermittelt werden kann.
Kidwoods Maxime: Demenzkranke dürfen tun und lassen, was sie wollen. „Wir wollen sie hier im Haus dabei unterstützen“, so Naumann. Dafür wird für jeden Bewohner eine eigene Tagesstruktur entwickelt. „Eine Bardame, die ihr Leben lang nachts gearbeitet hat, wird nicht plötzlich um 8 Uhr aufstehen wollen“, so Naumann. Wichtig sei, dass niemand tatenlos im Bett liegen müsse.
Finanziert wird die Rundumbetreuung über ein Drei-Säulen-Modell: Betreuungspauschale, Pflege- und Krankenkassen sowie einem Eigenanteil von rund 300 Euro. Vermieter der Einrichtung bleibt die WGT. Für deren Geschäftsführer Michael Kuschel stellt das Projekt eine wichtige Zukunftsressource für die Stadt dar. Die jüngst veröffentlichten Zahlen zum demografischen Wandel belegen, dass der Anteil der über 80-Jährigen vor allem in Brandenburg in den kommenden Jahren sprunghaft ansteigen werde. „Wir wollen nicht, dass unsere Mieter den Ort verlassen müssen, wenn sie alt werden“, so Kuschel. Damit sie bleiben, müsse man aber auch hier neue Wohnformen für alte Menschen anbieten.
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