zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Wut in kleinen Raten

Hartz-IV-Empfänger zwischen Frust, Behördenclinch und leiser Hoffnung

Stand:

Hartz-IV-Empfänger zwischen Frust, Behördenclinch und leiser Hoffnung Potsdam-Mittelmark - Monika Fischers Hartz-IV-Bescheid ist einfach so aus dem Computer herausgekommen. So hat ihr das zumindest eine Sachbearbeiterin auf dem Amt gesagt. Dass davon die Miete nicht zu bezahlen war, konnte die Frau auch nicht ändern. Zum Leben für sie und ihre Tochter blieben da noch rund 160 Euro. Als dann eine Betriebskosten-Nachzahlung über 37 Euro in der Post gewesen ist, hat Monika Fischer* sich mit der Hausverwaltung geeinigt, sie in sechs Raten zu überweisen. Monika Fischer und ihre zehnjährige Tochter, das ist eine von vielleicht 7000 Bedarfsgemeinschaften mit Anspruch auf Arbeitslosengeld II im Landkreis – die Zahl kennt im Moment noch keiner. Vielleicht stecken 10000 Menschen dahinter, vielleicht mehr: Testpersonen für eine der größten Sozialreformen der Bundesrepublik. Warten auf den Bescheid, dann Einspruch, diese Pannen hat Monika Fischer miterlebt. Und das Gefühl, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu könne, die Miete für die zweieinhalb Zimmer im Plattenbau. Die Angst auf der Straße zu landen. In ihrem Zuwendungsbescheid sollte ihre ältere Tochter, die seit kurzem in Greifswald studiert und in den Semesterferien in Teltow wohnt, ein Drittel der Miete bezahlen. Das wurde wiederum der Mutter von der Leistung abgezogen. Genauso wie das Kindergeld. Monika Fischer ist Diplom-Ingenieurin für Automatisierungstechnik und 45 Jahre alt. Hat in den 80er Jahren quasi hinstudiert auf einen Job beim Teltower GRW. Dort arbeitete sie dann, bis es kurz nach der Wende abgewickelt wurde. Monika Fischer machte ein Aufbaustudium Controlling, später kam ABM, dann wieder anderthalb Jahre als Sekretärin in einer Wohnungsverwaltung. Zuletzt hat sie als Küchenhilfe gearbeitet, Vollzeit für 165 Euro zusätzlich zur Arbeitslosenhilfe. „Das haben sie mit Hartz kaputtgemacht“ sagt sie mit Verbitterung. Sie darf jetzt fast nichts mehr hinzuverdienen, ohne dass es auf der andern Seite gleich wieder abgezogen wird. Bei einem 1-Euro-Job wäre das anders, bis jetzt ist ihr aber noch keiner angeboten worden. Allerdings glaubt man nicht einmal in der mittelmärkischen Hartz-IV-Behörde, die sich Maia nennt, dass aus 1-Euro-Jobs richtige werden. Von Gewöhnung an den Arbeitsalltag mit regelmäßigen Zeiten und frühem Aufstehen hat Maia-Chef Bernd Schade kürzlich gesprochen. Neue Jobs entstehen dadurch aber noch nicht. Christian Nordheim* (24) aus Kleinmachnow ist trotzdem gleich im November zum Sozialamt gegangen, hat nachgefragt, ob da nicht etwas für ihn dabei wäre. Anfang Dezember fing der gelernte Fliesenleger dann bei der „Neuen Arbeit“ an. Ein bisschen Wände verputzt hat er, gefliest, ansonsten leichte Arbeit wie Material sortieren, aufräumen. Beim Träger muss man darauf achten, dass nicht der Verdacht entsteht, Leute wie er könnten Handwerkern die Aufträge wegnehmen. Fleißig sei er, sagt der Leiter der Neuen Arbeit. So müsse er sich auch bei künftigen Arbeitgebern verhalten: „Dass die merken, du bist bereit, jede Arbeit zu machen.“ Viel zu lernen gibt es für Christian Nordheim ohnehin nicht, mit seiner Lehre und einer Weiterbildung in Garten- und Landschaftsbau. Fast 200 Bewerbungen hat er schon geschrieben, sagt er. Ohne Erfolg. Wenn er darauf mal etwas hört, dann Fragen wie: „Arbeiten Sie auch für die Hälfte vom üblichen Lohn?“ Zurzeit warten Christian Nordheim und seine Freundin auf ihren Hartz-IV-Bescheid. Sie hat zum 1. Februar Arbeit gefunden, also muss neu berechnet werden. Doch das zieht sich. Eine Behördenmitarbeiterin habe ihm geraten, die Eltern anzupumpen. Trotzdem ist der junge Mann auf das ganze neue Gesetz nicht schlecht zu sprechen: „Sollen sie mal machen“, sagt er gutmütig. Die Idee sei nicht schlecht, brauche ein wenig Zeit. Gut fände er halt, wenn es 1-Euro-Jobs direkt bei Firmen gäbe: erstmal ein paar Wochen für einen geringen Lohn arbeiten, dann schauen, ob die einen fest anstellen wollen. Zwar findet auch Monika Fischer den Ansatz der 1-Euro-Jobs „nicht verkehrt“. Andererseits sagt sie: „Der Arbeitsmarkt bricht doch an allen Ecken und Enden zusammen.“ Da kann sie auch eine vage Klage gegen Russlanddeutsche nicht unterdrücken, die herkämen und eine schön eingerichtete Wohnung vom Staat bekämen, wie sie in der Familie gehört hat. Ihre Tochter habe dagegen ihr Wohnheimzimmer selber streichen müssen. Mit dem Einspruch gegen ihren Bescheid hat Monika Fischer nach ein paar Wochen Erfolg gehabt. Vorher hatte sie einen Brief an das Ministerium von Wolfgang Clement geschrieben, der dann auf Umwegen wieder bei ihrem Maia-Büro gelandet ist. So kam sie dann zu einem Termin mit der Teamleiterin. Und zu gut 200 Euro im Monat mehr – fürs erste. Ihre Miete kann Monika Fischer jetzt wieder bezahlen. Zwar hat sie noch immer deutlich weniger als im Vorjahr mit der Arbeitslosenhilfe und den dazuverdienten 165 Euro. Aber die Genugtuung darüber, Recht bekommen zu haben, ist ihr anzumerken. Ordnerweise hat sie Unterlagen gesammelt, sich im Internet informiert, Fernsehsendungen zum Thema angeschaut. Wenn sie sieht, wie unterbesetzt die Hartz-IV-Agentur ist, findet sie, dass dort neue Stellen geschaffen werden sollten: „Ich könnte mittlerweile selber als Beraterin arbeiten.“ * Namen geändert

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })