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Potsdam-Mittelmark: Zäher Bürokratieabbau

Handwerker beklagen sich bei Jahrestreffen über die Regelungswut der Politik und deren Folgen

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Schwielowsee – Gleiche Spielregeln für alle! Für Max Weber ist die Bürokratie eine der wichtigsten Bedingungen der Demokratie. Der Soziologe sprach 1922 von ihr als „rationaler Form der legalen Herrschaft“: Nur vernünftige und unabhängige Entscheidungen der Beamten sicherten Gerechtigkeit. Von der Bürokratie als Last hingegen sprachen rund 50 Unternehmer bei der diesjährigen Jahresabschlussveranstaltung der Handwerkskammer Potsdam vor wenigen Tagen in Caputh.

„Ich könnte Bücher schreiben über die unterschiedlichen Verordnungen der Ämter“, beklagte sich Dahlback-Geschäftsführer Sven Konrad. „Es wird immer undurchschaubarer für den Einzelnen“, monierte der Potsdamer Baumaschinenhersteller Günter Neuendorf.

Geladen hatte die Handwerkskammer Vertreter aus ihrem Kammerbezirk West sowie Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD), der den Unternehmern zusicherte, den Bürokratieabbau voranzutreiben: „Es ist ein mühsamer Weg, aber der Kampf lohnt sich.“ Eine schnelle Verwaltung sei für die Betriebe ein wichtiger Standortfaktor, sichere Arbeitsplätze und schaffe Wachstum. Mit Hilfe eines holländischen Modells will die Landesregierung Bürokratiekosten senken und Berichtspflichten der Unternehmen reduzieren.

„Wir fordern den Bürokratieabbau seit Jahren“, berichtete Jörg-Günter Peschke, Kreishandwerksmeister im Landkreis Teltow-Fläming. Sein Wunsch nach zügigen Genehmigungsverfahren sei noch nicht in allen Ämtern des Landes angekommen. Letztendlich entscheidet der Landrat über das Arbeitstempo seiner Behörden, so sehen es Verfassung und kommunalen Selbstverwaltung vor. Die Politik aber könne hier maßgeblich Einfluss nehmen, forderte der Bauunternehmer: „Die Landesregierung nimmt das zu locker.“ Peschke hat Glück: Der Landkreis Teltow-Fläming gilt als Vorzeige-Landkreis. Hier dauert es zwischen sechs und acht Wochen, bis ein Bauantrag bewilligt ist, in anderen Kreisen warten die Betriebe bis zu sieben Monaten. „Es kann doch nicht sein, dass ich in Teltow-Fläming bessere Bedingungen habe, als anderswo“, bemängelte Peschke.

Auch Unternehmer Neuendorf traut der Politik in Sachen Bürokratieabbau wenig zu. Die Unternehmenssteuerreform sei undurchsichtig, das Erbschaftssteuerrecht verworren, Sozialabgaben müsse er für jeden Arbeitnehmer einzeln ausrechnen und im EDV-Zeitalter Handelsstatistiken für die Behörden manuell anfertigen.

„In erster Linie schaffen Bund und EU die Probleme“, sagte Wolfgang König, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. „In die Tat umgesetzt wird die Bürokratie aber vor Ort.“ Überdurchschnittlich stark treffe das den Mittelstand. Viele Verwaltungsangestellte sähen die Unternehmer als Bittsteller, sagte König. Er forderte einen stärkeren Serviceorientierung und mehr Ermessensspielraum der Ämter.

Unmut äußerten die Handwerker aber bei ihrer Jahresversammlung nicht nur über die Vielzahl der Regelungen, sondern auch über manchen Inhalt der Gesetzestexte. Bei der Vergabepraxis von öffentlichen Aufträgen schlägt Dachdeckermeister Olaf Lienig eine völlig neue Vorgehensweise vor: Statt wie bisher den günstigsten Anbieter zum Zuge kommen zu lassen, will Lienig die Arbeitsqualität als Kriterium einbeziehen. Den Zuschlag erhielten oft Unternehmen, die als Baunebengewerbe eingetragen seien und daher niedrigere Löhne bezahlen können oder unseriöse Anbieter mit unlauteren Wettbewerbsmethoden. „Wenn ich von vornherein nicht vor habe, meine Baumaterialien zu bezahlen, dann kann ich auch das billigste Angebot vorlegen“, beanstandete Lienig.

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen allerdings ist die Politik den Handwerkern schon einen Schritt entgegen gekommen: Die Wertgrenzen für freihändige Vergabe und beschränkte Ausschreibungen wurden im Mai diesen Jahres um das Dreifache erhöht. Kleine Aufträge können so leichter an mittelständische Unternehmen aus der Region vergeben werden.

Carina Körner

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