Potsdam-Mittelmark: Zarte Tupfer und Kerne im Weitflug
Kirschblütenfest erinnert an den Mauerfall
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Teltow/Berlin - „Hanami“, bedeutet im japanischen Sprachgebrauch „Blumen oder Blüten schauen“. Beim 9.Kirschblütenfest am ehemaligen Grenzstreifen zwischen Teltow und Berlin, das in diesem Jahr unter dem Motto „9 Jahre Hanami – 20 Jahre Wiedervereinigung“ gefeiert wurde, lugte gestern nur ab und zu eine rosa Blüte aus den Wipfeln der Kirschbäume hervor. Schuld daran ist der lange Winter, da konnte die Sonne gestern noch so einheizen, es reichte nur für einige zarte Tupfer. Dem Fest, das von BIT (Bürgerinitiative Teltow) und der Berliner Umweltinitiative „Teltower Platte“ jährlich organisiert wird, tat das keinen Abbruch. Spätestens in einer Woche wird sich das rosa Blütenband entfalten, das als Symbol deutsch-japanischer Freundschaft gilt. Aus Freude über die Öffnung der Mauer, hatte 1990 der Fernsehsender Asahi in Japan zu einer Spendenaktion aufgerufen, an der sich über 20 000 Japaner beteiligten. Rund zwei Millionen Mark erbrachte die Aktion. Viele Kinder hatten sogar ihr Taschengeld gespendet und im November 1990 wurden an der Glienicker Brücke in Potsdam die ersten Bäume gepflanzt, die heute zur längsten Kirschbaum-Allee Berlins und Brandenburgs zählen. Rund einen Monat früher als in Deutschland blühen Kirschbäume in Japan, wo das Fest bereits eine 1000-jährige Tradition hat und alljährlich den Frühlingsbeginn markiert. Japanische Gäste waren auch in diesem Jahr wieder nach Teltow-Seehof und Sigridshorst gekommen, um zu mitzufeiern. Auf zwei Bühnen traten Tanz-, Chor- und Sportgruppen auf, darunter auch eine Berliner Aikido-Mannschaft. Aikido wurde aus den alten japanischen Kampfkünsten Jiu-Jitsu und Schwertkampf entwickelt. Dabei werden Angriffe in kreis- und spiralförmigen Bewegungen geführt, um den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Eine Attraktion anderer Art war das Kirschkern-Weitspucken, ein beliebter Brauch aus Hessen. Auf 13,75 Meter brachte es ein Teilnehmer gestern beim Kirschblütenfest. Der deutsche Rekord soll bei 24,33 Metern liegen. Das Schöne an diesen Meisterschaften ist, dass man sich dafür nicht vorbereiten muss. Kirschen aus dem Einweckglas in den Mund stecken und das süße Fleisch abknabbern sind die einzigen Maßnahmen. Der Berliner Peter Dittmer vom Verein „Teltower Platte“ ahnte bislang nichts von seinem Talent und überraschte sich gestern selbst, als er auf Anhieb 9,85 Meter schaffte. Starker Atem soll dem Kern zu Schwung verhelfen, mancher schwört indes auf Zungentechnik, so das Fazit einer Fachsimpelei. Doch auch überdurschnittliche Körpergröße verhalf gestern manchem Spucker zu mehr Weite. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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