Potsdam-Mittelmark: Zeitreise am Waldrand
Fichtenwalder Schüler erforschen die Geschichte eines verwunschenen Hauses in Fichtenwalde
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Beelitz - Es riecht muffig. Teller und Tassen stehen verstaubt auf dem Tisch, in den Ecken der Fenster hängen dicke Spinnweben. Auf den morschen Holzregalen, auf dem Boden, sogar im Waschbecken liegt Gerümpel. Das kleine unbewohnte Haus am Rande von Fichtenwalde ist ein Ort, den man vergessen hat und an dem die Zeit stehen geblieben ist. Zumindest bis jetzt.
Von dem morbiden Charme des verwunschenen Hauses wurden auch mehrere Jugendliche aus Fichtenwalde angezogen. Sie gingen auf Spurensuche, um mehr über die Geschichte des Hauses zu erfahren. Im Rahmen des Projektes „Zeitensprünge“ der Stiftung Demokratische Jugend haben sieben Schüler versucht, die früheren Bewohner ausfindig zu machen. Sie wollten wissen, warum in dem Haus niemand mehr wohnt und wie man früher dort lebte. Ihre Suche nach den ehemaligen Bewohnern hat sie auf eine Zeitreise geschickt - festgehalten wurde alles in Fotografien und einem Dokumentarfilm.
Von Bäumen und Hecken zugewachsen, schlummert das kleine Haus mitten im Wald seit Jahrzehnten unbemerkt vor sich hin. So zeigen es die Bilder, die man im Internet sehen kann. Im Haus selbst ist noch vieles von früher erhalten geblieben. Auch ein goldumrandeter Wecker liegt dort auf einem Tisch. An der Wand hängt ein Kalender. 1988 steht über den Monaten. Das kleine Haus mitten im Wald diente früher einmal gestressten Großstädtern für ein ruhiges Wochenende auf dem Land. In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde es errichtet. Damals war Fichtenwalde noch eine Wochenendhaus-Siedlung. Während des Zweiten Weltkriegs kaufte das Haus eine Familie aus Leipzig. Die zwei Söhne der Familie sind im Krieg gefallen, nach dem Tod des Mannes lebte die Frau über Jahre alleine am Waldrand. Doch ganz allein sei sie wohl nicht gewesen, heißt es im Dokumentarfilm. Sie hatte auch eine kleine Ziegenherde und einen Hund.
Um noch mehr über die Leipzigerin herauszubekommen, stöberten die Jugendlichen in Archiven, blätterten durch alte Zeitungen. In der Leipziger Volkszeitung von 1987 entdeckten sie sogar ein Foto der Hauseigentümerin, die den Winter in ihrer Heimatstadt verbracht hatte. Auf dem Bild wird der Frau von einem Mitarbeiter der Volkssolidarität etwas Warmes zu essen gegeben.
Bis zu hundert Zeitensprünge-Projekte werden pro Jahr von der Stiftung Demokratische Jugend gefördert. Im Mittelpunkt stehe dabei die Geschichte der eigenen Region. Schüler sollen herausbekommen, wie es an bestimmten Orten früher aussah, wie die Menschen lebten und was sie beschäftigte, heißt es in einer Erklärung der Stiftung.
Ihre letzten Jahre hatte die Frau aus Leipzig bei einer befreundeten Berliner Ärztin verbracht, die sie offenbar pflegte. Über den Nachlass wissen die Jugendlichen, dass die Freundin alles erbte, nachdem die Hausbesitzerin kurz nach der Wende mit 89 Jahren verstarb. Noch immer wird beim Fichtenwalder Geschichtsprojekt darüber gerätselt, wieso der Haushalt nie aufgelöst wurde, wieso die Berliner Erbin sich nie um den Nachlass kümmerte. Man habe die Erbin sogar telefonisch erreicht, heißt es in dem Dokumentarfilm. Doch leider wollte sie sich zu dem Haus nicht äußern. Eva Schmid
Den Film gibt es unter www.job-ev.de/jc-fiwa/ zu sehen
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