zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Zeuge: Mir kam das wie eine Sekte vor

Erpressung, Bedrohung, Körperverletzung und Nötigung im Autohaus Groß Kreutz

Stand:

Aus dem GERICHTSSAALErpressung, Bedrohung, Körperverletzung und Nötigung im Autohaus Groß Kreutz Gross Kreutz – Im Jahr 2000 herrschte eine Atmosphäre der Angst und Bedrohung im Autozentrum Groß Kreutz. Der leitende Verkäufer Hasso H.* soll die Mitarbeiter beim kleinsten Anlass gleich reihenweise geohrfeigt haben. Seine zierliche junge Frau – so ihre Zeugenaussage vor dem Schöffengericht – wurde samt Büroeinrichtung von dem vorbestraften Kokainabhängigen zusammengeschlagen. Kriminelle Jugendliche sollen von ihm für einen „Appel und ein Ei“ mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden sein. Autos wurden zwar auch verkauft, das Geld dafür floss offenbar in zweifelhafte Geschäfte. Zum Schluss fehlten 1,4 Millionen Mark in der Kasse des 2001 in Insolvenz gegangenen Unternehmens. Keiner der Angestellten wagte es, sich der Polizei zu offenbaren. „Wir hatten Todesangst“, versicherte ein Zeuge. Angst um sich und seine Familie brachte Lutz L.* (44) nun sogar wegen Unterschlagung auf die Anklagebank. Der gelernte Kfz-Mechaniker erzählte eine Geschichte, die schier unglaublich klingt: Als sich ihm im Frühjahr 2000 die Chance bot, im Autozentrum Groß Kreutz Arbeit zu finden, sei er heilfroh gewesen. Bald schon sei er im Verkauf eingesetzt worden. „Ich ging davon aus, Hasso H. ist der Chef. Alle mussten tun, was er verlangte“, erinnerte sich der Mann, der nie einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhielt. So habe er auch nicht lange gezögert, ein Konto auf seinen Namen zu eröffnen. „Auf dieses sollten so genannte Provisionen eingezahlt werden.“ Dann habe Hasso H. ihn gezwungen, das Geld abzuheben und ihm auszuhändigen – insgesamt 298160 Mark. Erst habe er ihm erzählt, von dieser Summe würden die Kleinkriminellen bezahlt, die den Hof fegten und die Autos wuschen. Später habe Hasso H. ihm offenbart, er würde das Geld für sich verbrauchen. „Ich kam aus der Geschichte nicht mehr raus“, erklärte Lutz L. Der gefürchtete „Chef“ habe gedroht, seine Knochenbrecher vorbeizuschicken, würde er den liebgewordenen Trott unterbrechen. Die Vorsitzende des Schöffengerichts, Dr. Birgit von Bülow, kann es nicht fassen. „Was hatte dieser Mensch denn gegen Sie in der Hand?“ Der Angeklagte überlegte nicht lange. „Nichts. Ich habe mich einfach nicht getraut zu gehen, niemand traute sich das.“ Als das Fehlen der Millionensumme offensichtlich wurde, habe Hasso H. ihn genötigt, vor einem Notar ein Schuldanerkenntnis über diesen Betrag zu unterzeichnen, um den Geschäftsinhaber ruhigzustellen. „Ich bin erst wieder ein Mensch geworden, als Hasso H. an einer Überdosis Kokain gestorben ist“, gesteht Lutz L., der während seiner Tätigkeit im Autohaus auf 55 Kilo abmagerte, sich anschließend in psychologische Behandlung begeben musste. „Mir kam das wie eine Sekte vor. Wer da einmal drin war, kam nicht mehr mit heiler Haut heraus“, schätzte ein Reifenhändler im Zeugenstand ein, der sein Geschäft auf demselben Grundstück betrieb. „Zum Schluss wimmelte es nur so von gewalttätigen und kriminellen Menschen. Da saßen mindestens 150 Jahre Knast herum und tranken Kaffee.“ Sogar der Geschäftsführer – aus Zeitgründen nur sporadisch im Autohaus – gab vor Gericht zu: „Ich habe dort Sachen erlebt, die ich bisher nur aus Krimis kannte.“ Hasso H. habe sich mit Leuten umgeben, die nicht zögerten, jemandem den Schädel einzuschlagen. Das Gericht glaubte der Darstellung des Angeklagten. Dennoch sei er nicht frei von Schuld, so die Vorsitzende. 15mal ging Lutz L. zur Sparkasse. Spätestens nach dem dritten Besuch, als der Druck auf ihn noch nicht so stark war, hätte er dem Treiben ein Ende bereiten müssen. Das Urteil: Zehn Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu zwei Jahren Bewährung. (*Namen geändert.) Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })