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KulTOUR: Zeugnisse der Zeit

Werkschau des 88-jährigen Kleinmachnower Bildhauers und Malers Hermann Lohrisch

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Kleinmachnow / Stahnsdorf - Das Foyer vom Stahnsdorfer Gemeindehaus mit seiner sich nach oben hin teilenden Freitreppe mag vielleicht dem behördlichen Tagesgeschäft genügen, zur Ehrung des 88-jährigen Kleinmachnower Holzbildhauers, Zeichners und Malers Hermann Lohrisch war es beinahe zu klein. Viele kamen am Freitagabend in die Annastraße, ihm die Ehre zu geben, sich vor seinem eindrucksvollen Lebenswerk zu verbeugen. Keine Spur von Gemütlichkeit im Gedränge.

Der Senior gehört trotz des starken „feedbacks“ alter und junger Kollegen eher zu den stillen Künstlern. Seine Zeit, die Erlebnisse seines Lebens haben ihn so ins Heute getragen, in die erste Reihe rückte ihn keiner. Dem Soziokulturellen Verein „Eins A“ als Veranstalter ist es zu danken, dass man nun seine Arbeiten, Pastell- und Tuschezeichnungen, wunderbare Porträts, Skizzen sowie sein skulpturales Werk zu den amtlichen Zeiten des Amtes studieren kann. Er selbst saß mit einiger Stille dabei, beobachtete, hörte zu. Auf halber Treppenhöhe konnte er sich ja als fotografisches Konterfei im Halbprofil wiederentdecken.

Rainer Ehrt hielt eine auf das Biographische gesetzte Laudatio leicht erhöht, Katja Moritz spielte oben Bach auf der Flöte. Getränke, Imbiss, dann ging es zur Vorführung eines Dokumentarfilms mit und über ihn ins Obergeschoss. Zu dick die Luft, wo Abgeordnete tagen, zu leise der Ton für so viele Gratulanten, darunter viele bekannte Künstler der Umgebung. Die Laudatio nannte drei Wurzeln seines Schaffens, die sächsisch-erzgebirgische Volkskunst, die südbayerische, meist der Bibel verpflichtete Holzschnitzer-Tradition und die deutschen Expressionisten. Schon ein flüchtiger Blick genügt, Ernst Barlach als ersten zu nennen. Ihn hat er in Stil und Gestus auch nie verleugnet.

Geboren wurde Hermann Lohrisch 1922 in Chemnitz. Frühe Kunststudien in Dresden mit etwas Talent. Von 1937 bis 1941 absolvierte er eine Holzbildhauerschule in Oberammergau, denn in den Krieg musste er wegen recht ungewisser Asthma-Anfälle nicht. Dafür erlebte er den Untergang Dresdens im Februar ’45 als Augenzeuge. Solche Eindrücke blieben, er grub sie seinen eichernen Skulpturen ins Gesicht, in den Gestus, manchmal ähnlich wie Barlach.

Gleich nach dem Krieg lebte und arbeitete er auf der Augustusburg als „Freier“. Die vorübergehende Mitgliedschaft im DDR-Verband Bildender Künstler führte 1957 zu einem legalen Ausreiseantrag, aber nicht etwa der große Fritz Cremer hielt ihn zurück, sondern Lore, seine spätere Gattin, mit der er in Kleinmachnow blieb. Er arbeitete als Restaurator, übernahm Aufträge zur skulpturalen Ausgestaltung einiger Kirchen, so in Kleinmachnow und Luckenwalde. Manchem gilt er als „Erneuerer der christlichen Plastik“, immerhin hat er „Jesus am Kreuz“ ganze siebenmal gestaltet.

Und er ist auch an diesem „Treppenwitz der Geschichte“ beteiligt: Noch in den Sechzigern beauftragte die DDR-Regierung eine Gruppe von Künstlern mit der modellhaften Rekonstruktion des auf ihren Ukas hin gesprengten Stadtschlosses. So ganz mochte sich die Obrigkeit wohl doch nicht von diesem Bauwerk trennen. Hermann Lohrisch war einer von ihnen.

Vor allem malte, zeichnete und schnitzte er, was im Märkischen Museum und hier, in Stahnsdorf, zu sehen ist. Dieser Künstler ist sein Leben lang dem „figürlichen Realismus“ treu geblieben. Er schuf und arrangierte Bilder, die wie dramatische Theaterszenen wirken, witzig-naive Darstellungen aus Gesellschaft, Familie und Zirkus, was ja manchmal dasselbe ist, Pastelle, Porträts, die für sich selber bürgen. Viele seiner zeitlos gültigen Werke stammen übrigens aus den verflixten fünfziger Jahren. So hat er sich ein Lebenswerk geschaffen, den Nachgeborenen ein Zeugnis von sich und der Zeit seines Lebens und Denkens.

bis 19. Oktober in der Annastr. 3, Mo., Mi. 9-17 Uhr, Di. 9-19 Uhr, Do., Fr. 9-18 Uhr

Gerold Paul

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