Potsdam-Mittelmark: Zu Gast auf der Autobahn
Prävention zum Reiseverkehr: Auf der Raststätte Michendorf wird dieser Tage Polizeiarbeit transparent
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Michendorf - Die Bilder hängen noch im Büro: Es ist erst ein paar Tage her, als Manfred Thielecke und Gero Jacobs einen Porsche ins Visier genommen hatten. Mit 253 Sachen ist er über die A 115, wo 120 erlaubt sind. Erst am Hüttenweg konnte er vom Team des Videoüberwachungswagens des Schutzbereichs Brandenburg gestoppt werden. Wenn das hartgesottene Duo aus dem Nähkästchen plaudert, läuft es einem schon mal kalt über den Rücken. Raser, Drängler oder einfach Leichtsinnige, die mit beladenem Hänger mit 150 km/h über die Autobahn schlingern, gehören zum Erfahrungsschatz seines Opel Omega 3,2. Montag und Freitag sind die ergiebigsten Tage. „Manchmal wird es uns selbst zu heiß, dann geben wir es einfach auf“, sagt Manfred Thielecke.
Gestern und heute ist an der A 10-Raststätte Michendorf Gelegenheit, mit der „Polizeibasis“ ins Gespräch zu kommen. Der Schutzbereich Brandenburg nutzt mit der Dekra, dem ADAC und der Feuerwehr den Reiseverkehr, um Autofahrern die Polizeiarbeit näher zu bringen und zum Thema Unfallprävention auf der Autobahn ins Gespräch zu kommen. Neugierige Blicke erntet nicht nur der Videoüberwachungswagen, sondern auch die Polizei-Einsatztechnik, der Gurtschlitten oder die Schneid- und Spreizgeräte der Michendorfer Feuerwehr.
Für Polizeisprecher Torsten Ringel ist Prävention das A und O: Im ersten Halbjahr 2006 sind auf den 180 mittelmärkischen Autobahnkilometern schon 7 Tote und 90 Schwerverletzte zu beklagen. Im Schnitt sechs Unfälle pro Tag gab es auf der südlichen A 10 bis Spandau, der A 9 und der A 2 bis Sachsen-Anhalt und der A 115 zwischen Zehlendorf und Dreieck Nuthetal. Wer in Michendorf mal im Überschlagsimulator gesessen hat, nimmt den Fuß vielleicht vom Gas, hofft Ringel.
Oft ist die Geschwindigkeit auf den mittelmärkischen Autobahnen freigegeben – die Polizei hat Abschnitte, wo sie es gern anders sähe. Wegen der Tempodifferenzen an Bergen und in Kurven – Laster werden langsamer, Autos schneller – wünscht sich Mathias Tänzer, Leiter der Führungstelle, gerade auf der A 2 zwischen Brandenburg (Havel) und Nahmitz und auf der A 9 zwischen Niemegk und Brück Tempolimits – und das nicht nur im Reiseverkehr. Doch den Unfallstatistikern reichen die Karambolagen nicht aus. „Die Unfälle sind wirklich zurückgegangen“, räumt Tänzer ein, „aber es kracht immer noch sehr häufig“.
Ein weiterer Wunsch Tänzers: Die Verkehrsleitanlagen mit Blitzern zu koppeln. Dies würde, zum Beispiel an der A 10 in Michendorf, die Akzeptanz der Verkehrsbeeinflussung erheblich erhöhen – und könnte sogar Realität werden: Vom Land werde die Möglichkeit derzeit geprüft. In anderen Bundesländern wie Bayern oder Niedersachsen geht es bereits.
Mancher Unfall ließe sich aber wohl auch damit nicht vermeiden: Der Dienstgruppenleiter der Wache Beelitz, Dieter Richter, erinnert sich mit Schrecken an den Zusammenstoß zweier Laster auf der A 2 zwischen Wollin und Ziesar im April. Eines der Fahrzeuge hatte die Leitplanke durchbrochen, nachdem von hinten ein Audi aufgefahren war. Bilanz: drei Tote.
Nicht genug, dass solche Unfälle auch Polizisten auf die Probe stellen. „50 Prozent der Autofahrer verhalten sich an den Unfallstellen rücksichtslos und aggressiv“, sagt Richter. Oft wird auch die Unfallaufnahme gestört. Die Palette reicht von Rasern, die mit 180 durch den Unfallbereich fahren, bis hin zu Fahrern, die in der Gegenspur fast halten, um eine Aufnahme mit dem Fotohandy zu machen.
Genervte Autofahrer pöbeln, Rettungstrassen (zwischen linker und mittlerer Spur!) werden nicht freigehalten, Gaffer kollidieren. Und selbst wenn alles abgewickelt, die Unfallstelle frei ist, wie nach dem Brand eines Lkw am Freitag zwischen Ferch und Michendorf, geht es weiter. Weil die Fahrbahn ausgebessert werden muss, ist eine Spur noch gesperrt. Seitdem wurden bereits mehrere leichte Kollisionen aufgenommen. An der Raststätte wird auch gezeigt, wie das Auto im Ernstfall danach aussehen kann. Henry Klix
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