Potsdam-Mittelmark: „Zuerst muss die Barriere in den Köpfen fallen“
Teltows Tischlermeister Hartmut Eichelbaum sieht in der altersgerechten Wohnraumanpassung einen Markt – noch bewegt sich wenig
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Teltow - Zu hohe Schränke, zu tiefe Stufen, gefährliche Teppichkanten, zu schwere Fenster, unüberwindbare Balkonschwellen, zu kleine Bedientasten, zu große Abstände. Hartmut Eichelbaum kennt sie – die Unwägbarkeiten in den eigenen vier Wänden, wenn in vertrauter Umgebung der Alltag immer schwerer zu meistern ist. Seit drei Jahren schärft der Teltower Tischlermeister seinen Blick für barrierefreien Wohnraum. Einen Lehrgang, den er zuvor bei der Handwerkskammer Dortmund absolvierte, nennt er ein „Schlüsselerlebnis“.
Noch viel zu wenig Menschen seien auf die Veränderung ihrer Lebensumstände eingestellt. „Barrierefreiheit“, bedauert der Tischler, „wird nicht ernst genommen. Vor vier Jahren gründete Eichelbaum die Handwerkerkooperation „A bis Z“ – ein Zusammenschluss mehrerer Firmen unterschiedlicher Gewerke, die in der altersgerechten Anpassung von Wohnraum einen Markt sahen. „Barrierefreiheit als Standbein“, so die Geschäftsidee. Planung und Umsetzung aus einer Hand. Doch die Auftragsbücher füllten sich kaum, 15 Wohnungen und Häuser haben die Tischler, Klempner, Elektriker, Fliesenleger im Verbund für die Bedürfnisse Älterer hergerichtet. Zu wenig, um zu überleben: Eichelbaum hat für die Kooperation Insolvenz angemeldet.
Auch als Fachberater der Potsdamer Handwerkskammer doziert Eichelbaum über den Sinn eines altergerechten Wohnumfeldes vor nur spärlichem Publikum. „Zuerst müssen die Barrieren im Kopf fallen“, so seine Erkenntnis. Nicht notwendig! Zu teuer! So alt sind wird doch noch nicht! – Argumente wie diese hört der Tischlermeister immer wieder. Dabei sind die meisten Wohnungen im Sinne der Barrierefreiheit „tickende Zeitbomben“. Erst wenn der „eigene Schmerz“ und der Grad der eigenen Betroffenheit groß ist, komme die Einsicht.
In den Kommunen, Wohnungsgesellschaften und sozialen Beratungsstellen fehle es an kompetenten Ansprechpartnern. Informationen, wie Wohnraumanpassung finanziell gefördert werden kann, gebe es kaum – oder man wisse nicht, wo. Dabei seien gerade Wohnungsgesellschaften gut beraten, sich um ihre ältere Klientel zu kümmern , denn der demografische Wandel hat zur Folge, dass es mehr alte als junge Mieter geben wird.
Dreimal im Jahr bildet sich Eichelbaum bei Lehrgängen des „Bundesverbandes barrierefreies Leben“ weiter. Ein Lebens- und Wohnumfeld ohne Hindernisse zu betrachten, sei zu seiner „Philosophie“ geworden. Er reduziert Barrierefreiheit nicht nur auf die Bedürfnisse von Senioren. Auch Behinderte, Kranke, Mütter mit Kinderwagen und Kinder stehen oft vor schwer oder gar nicht überwindbaren Hindernissen.
Für seine Kunden konzeptiert er den Wohnungsumbau so, dass man sich auch im Alter oder mit Handicap „selbstbestimmt“ in den eigenen vier Wänden bewegen kann. In der Region Teltow, die durch den Zuzug junger Familien und rege Bautätigkeit bommt, „lässt sich generationsübergreifend noch was regeln“, so Eichelbaum. „Man muss beim Bauen konsequent schon jetzt an die Belange von morgen denken.“ Peter Könnicke
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