zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Züge auf der Durchfahrt

Auf der Bahnstation Ferch-Lienewitz steigt kaum jemand ein. Die Gemeinde ringt jetzt um deren Zukunft

Stand:

Schwielowsee - Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Modellbahnidylle. Die Bahnstation Ferch-Lienewitz liegt mitten im Wald – auf der Landstraße sind es fünf Kilometer bis zum Ort. An dem kleinen Fachwerkhaus hängen Blumenkästen, die von den Eisenbahnern gepflegt werden, die im Stellwerk der Station Dienst tun. In unmittelbarerer Nähe gibt es ein Anschlussgleis für ein Logistikunternehmen – früher war dort ein Sägewerk. Heute ist die Station ein Problemfall. Ferch-Lienewitz zählt zu den 60 Bahnhöfen, die die Landesregierung derzeit auf ihre Wirtschaftlichkeit prüfen lässt, weil dort weniger als 50 Ein- und Ausstiege pro Tag gezählt wurden (PNN berichteten).

Die alte Bahnhofsuhr zeigt kurz vor acht. Tatsächlich ist es 12.15 Uhr. Viel zu langsam schiebt sich der Minutenzeiger weiter. Pünktlich 12.20 Uhr fährt leise der RB 23 aus Michendorf in Richtung Potsdam ein: ein neuer roter Talent-2-Triebwagen mit Elektroantrieb. Der vielfach geflickte Bahnsteig bleibt verwaist, ebenso wie der kleine verrostete Fahrradständer, der wohl noch aus Reichsbahnzeiten stammt, und das Wartehäuschen. Fahrgäste steigen weder ein noch aus – wie oft in der Mittagszeit. Züge halten in Ferch-Lienewitz eigentlich nur noch bei Bedarf.

Einigen der 60 aufgelisteten brandenburgischen Bahnhöfen droht bereits die Schließung. Für den Großteil sieht das Land jedoch noch Möglichkeiten zur Optimierung. Dazu gehört laut Landesnahverkehrsplan auch Ferch-Lienewitz. Darauf setzt auch die Gemeinde. „Die Station ist für uns sehr wichtig, Ferch soll auf keinen Fall von der Bahn abgehängt werden“, sagt Schwielowsee-Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) energisch.

Nach wie vor gibt es Fercher, die die Bahn für den Weg zur Arbeit nutzen. Oft lassen sie sich am Morgen mit dem Auto zum Bahnhof bringen. Auch für den Tourismus spiele die Station eine wichtige Rolle, viele Ausflügler würden vor allem am Wochenende den Zug nutzen, sagt die Bürgermeisterin. „Herzlich willkommen in der Gemeinde Schwielowsee“, heißt es auf einer von der Gemeinde frisch geputzten Informationstafel direkt am Bahnhofsgebäude.

Um die Attraktivität des Bahnhofs zu erhöhen, soll jetzt eine Busanbindung geprüft werden. Für die Zeit des aktuell geplanten Straßenausbaus zwischen Ferch und Caputh und der damit verbundenen Straßensperrung sei laut Hoppe bereits ein entsprechender Fahrplan vorbereitet worden. Der Bus bringt die Fahrgäste nach Ferch-Lienewitz. Von dort aus können sie die Bahn nach Caputh und Potsdam nutzen und die Sperrung umgehen. „Das könnte der Probebetrieb für eine dauerhafte Busanbindung sein“, so Hoppe.

Zudem kämpfe die Gemeinde seit mehr als zehn Jahren für einen Radweg entlang der Kreisstraße von Ferch über Lienewitz nach Neuseddin. „Im vergangenen Jahr haben wir erneut eine entsprechende Stellungnahme beim Landkreis eingereicht“, so die Bürgermeisterin. „Leider ist der Radweg wieder nicht im Plan für das nächste Jahr. Das ärgert uns.“

„Nur wenn wir Busse, Bahnen und Radwege zusammenbringen, funktionieren auch die Bahnhöfe“, so Hoppe. In Caputh sehe es da schon besser aus. Zumindest in den Hauptverkehrszeiten seien die RB-23-Triebwagen zwischen Caputh-Schwielowsee und Potsdam voll.

Ein anderes Problem ist die Linienführung der Bahn. Bis Ende 2011 fuhren die Züge als RB 22 von Michendorf aus weiter bis Berlin-Schönefeld. Nicht wenige Fercher haben ihn genutzt, um nach Berlin, zum Flughafen oder zur Arbeit ins Autowerk in Ludwigsfelde zu kommen. Vergeblich hatte sich Schwielowsee gemeinsam mit den anderen betroffenen Gemeinden für den Erhalt dieser Direktverbindung eingesetzt. Der Flughafenexpress fährt jetzt von Potsdam über Golm und Saarmund nach Schönefeld.

Zwischen Michendorf und Potsdam wurde die RB-23-Linie eingerichtet. „Dieser Stummel war von Anfang an eine Totgeburt“, sagt der Michendorfer Gemeindevertreter und Verkehrsexperte Peter Pilling (Linke). Nach wie vor setze sich Michendorf deshalb für eine Verlängerung des RB 23 nach Schönefeld ein. Kerstin Hoppe ist heute froh, dass überhaupt eine Bahnanbindung für die Schwielowsee-Ortsteile Caputh und Ferch erhalten geblieben ist.

Zudem würden sich mit dem geplanten Ausbau des Bahnhofs Potsdam-Pirschheide zu einem regionalen Umsteigepunkt neue Perspektiven eröffnen, argumentiert auch Ferchs Ortsvorsteher Roland Büchner (Bürgerbündnis Schwielowsee). Über die untere Ebene in Pirschheide sollen wie bisher Caputh, Ferch und Michendorf mit dem RB 23 angebunden werden. Mit dem dann auf der oberen Ebene haltenden RB 22 könnten die Fahrgäste wiederum in etwa 20 Minuten Berlin-Schönefeld zu erreichen. Für Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (beide SPD) und die Vertreter der Umlandkommunen haben diese Pläne hohe Priorität. Mittlerweile findet sich der Ausbau der oberen Bahnsteige in Pirschheide auch im Landesnahverkehrsplan. Die Umsetzung durch die DB Station & Service AG sei laut Pressesprecher Bernd Schade vom Infrastrukturministerium angemeldet worden. Eine Bestätigung liege aber noch nicht vor.

Wenn es um die Zukunft der kleinen Bahnstation Ferch-Lienewitz gehe, sei eben Weitblick nötig, sagt Ortsvorsteher Büchner, der auch auf eine weitere Entwicklung des Gewerbegebietes in Lienewitz hofft. Und Bürgermeisterin Hoppe kündigt an, sie wolle sich sofort bei der Deutschen Bahn erkundigen, was denn mit der alten Bahnhofsuhr los sei: „Einen guten Eindruck macht das nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })