Potsdam-Mittelmark: Zum Sinnen über Leben und Tod Musik, Lesung und Tanz auf dem Südwestfriedhof
Stahnsdorf - Auf dem Südwestfriedhof Stahnsdorf ereignen sich bei Einbruch der Dunkelheit immer mal wieder ganz seltsame Dinge: Lange Nächte der Kultur, Filmabende, Konzertantes. Für die Friedhofsverwaltung und seinen Förderverein gehören die Kultur der Lebenden und die der Toten ja schon immer zusammen.
Stand:
Stahnsdorf - Auf dem Südwestfriedhof Stahnsdorf ereignen sich bei Einbruch der Dunkelheit immer mal wieder ganz seltsame Dinge: Lange Nächte der Kultur, Filmabende, Konzertantes. Für die Friedhofsverwaltung und seinen Förderverein gehören die Kultur der Lebenden und die der Toten ja schon immer zusammen. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass mit dem Rückgang der Bestattungen und dem Zerstörungseifer der Wildschweine auch der Blick auf die Finanzen an Bedeutung gewinnt.
Am Sonnabend also ein neuer Anlauf, „Musikalischer Sommerabend“ genannt. Schon vom Eingang her hörte man ein paar ferne Töne. Jazziges aus Berlin vom Duo Barweaver, Saxophon und Bass. Allerdings war dies auch schon fast wieder alles, denn zum Leidwesen des Veranstalters hatte die Musikschule von nebenan abgesagt. Dafür gab es bis zur Hauptattraktion – einer Performance mit der Potsdamer Dance Company Erxleben – sehr gut besuchte Führungen kreuz und quer durchs Gelände, vom „Schwedenblock“ bis Murnau, von Corinth und den Berliner Schokoladenfabrikanten Hamann bis zum Zille-Grab. 800 Besucher sollten kommen, etwas weniger kamen. Da waren viele, die den „Kulturfriedhof“ Südwest nicht kannten. Bunte Lampions im Rhododendron-Gebüsch, ganz viel Muße zum Schauen, zum Sinnen über Leben und Tod an Gruften und Gräbern, beim Plausch vor der Stabkirche, wo es manch Kulinarisches gab. Jeder Euro war ein Benefiz zugunsten des Friedhofs, dem Ort von Tod und Leben zugleich. Für ganz Getreue hatte man noch zwei Spendenboxen hingestellt. Gegenüber der Großen Kapelle, im Mausoleum Caspary, stellte sich die Teltower Malerin Frauke Schmidt-Theilig dem Publikum mit einer Verkaufsausstellung vor.
Dreimal nun sollte die Tanzperformance „Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden“ bis Mitternacht hin auf dem ehrwürdigen „Urnenfeld I“ aufgeführt werden. Sie handelt von einem alternden Dichter, der Rückschau auf sein Leben hält und dies getanzt noch einmal vor Augen geführt bekommt. Vergänglichkeit, Verwandlung, neues Leben. „Dieser Friedhof lebt, er ist selbstredend, gibt einem etwas zurück“, so Olaf Ihlefeld, Chef der weitläufigen Anlage. Und das stimmt, man merkte es rasch bei dieser poetischen Vorstellung, wo mit schwindendem Licht Farbe und Grabesstelen mitzuspielen schienen. Nina Gummich und Léon Schröder sprachen dazu Texte von Rainer Maria Rilke. Anregung genug, den großen Poeten mal wieder zu lesen. Mitglieder der Company tanzten weißen Gewandes mit gleichweißen Tüchern sehr eindrucksvoll. Metamorphosen des Lebens, wie für das Grabfeld geschaffen. Nur das Finale war etwas zu hehr. Zur Nacht hin zog sich der Himmel zu, das Publikum dünnte sichtbar aus.
Vielleicht war dieser Abend etwas zu lang, auch hätten Klänge aus der Konserve hier und dort den Ausfall der Musikschule kompensiert, vielleicht auch Lesungen an Grüften und Bäumen. Mit Rilke etwa, oder mit Morgenstern, jenseits der „Galgenlieder“. Trotzdem ist diesem poetisch-sinnenden Abend nichts nachzudichten. Tod und Leben auf göttlichem Acker im Wechsel. Alles im Einklang, alles Verwandlung. Oder um es mit Rilke zu sagen: „Welcher Geiger hält uns in der Hand?“ Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: