Potsdam-Mittelmark: Zur grünen Insel
Auf der engen Inselstadt Werder (Havel) haben sich Gartenfreunde lange schwer getan – doch langsam rührt sich was
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Werder - Früher war das schmale Grundstück direkt am Haus der Familie Giese eine Dreckecke, die niemand gehörte. Irgendwann – vor etwa 30 Jahren – zogen Gieses eine flache Einfriedung herum, damit kein Müll mehr abgeladen wird. Als Sohn Stephan aus dem Buddel-Alter raus war, wurde das Dreieck an der Michalisstraße bepflanzt. Jetzt blühen in dem Vorgarten zwischen üppigen Sträuchern Cosmeen und Sonnenblumen.
Nicht überall auf der Inselstadt von Werder (Havel) ist die Kulisse so einladend. Ausgerechnet wo man die meisten Gäste zählt, sei die Blütenstadt nicht immer als solche erkennbar, sagt Werders ehrenamtlicher „Grünbeauftragter“, Dr. Baldur Martin. „Das Problem sind die engen Gassen und kleinen Höfe“, erklärt der Rentner, der als Diplomgartenbauingenieur 40 Jahre Gärtnerlehrlinge ausgebildet hat. Vorgärten haben auf der Insel kaum Tradition, Ziegelmauern versperren den Blick auf Höfe, in denen einst Aprikosen reiften.
Und doch: Die Bewerbung zum Wettbewerb „Unsere Stadt blüht auf“ und die seitdem stattfindenden Gartenwettbewerbe unter Martins Regie haben das Bewusstsein der Insulaner für Werderaner Imagepflege geschärft. Familie Isbell gehört mit ihrer Gartengestaltung Am Mühlenberg in diesem Jahr sogar zu den regulären Preisträgern. Am Grundstückseingang lädt ein kleiner Apfelbaum ein, über den Zaun erspäht man in Buchsbaumquadraten hochstämmige Johannisbeeren, Lavendel oder Rittersporn. Das passt her, findet Martin.
Nicht jeder hat soviel Platz. Wenn Baldur Martin über die Insel schlendert, findet er inzwischen trotzdem grüne Eckchen, an denen er gerne stehen bleibt. Zum Beispiel am Haus von Annette Ebert in der Pfarrgartenstraße: Fast mediterran wirken ihre bunten Petunienkübel vor der sandfarbenen Fassade, den braunen Fensterläden und dem Türkis-Holzstuhl. Ihr Beispiel hat Schule gemacht: Inzwischen stehen auch vor anderen Häusern der Straße blühende Kübel, ist hier und da eine Fassade begrünt.
Die Gestaltungsideen sind durchaus kontrastreich. Manches Grün auf der Inselstadt ist dezent und sparsam geraten und dennoch an prechend, wie an der Alten Schmiede Am Mühlenberg: Zwei kleine Feldsteinhaufen und dahinter zwei Kübel mit Gräsern signalisieren, wo der Eingang zum hier entstandenen Architekturbüro ist. Ein Blauregen-Zopf markiert die Fassadengrenze zum Anbau.
Als die Leute mit Kübeln vor ihren Häusern anfingen, sei immer wieder gestohlen worden, weiß Baldur Martin. Doch Werderaner Zähleibigkeit zahlte sich aus. Inzwischen sind die Kübel schwerer, die Diebe gelangweilter geworden. „Und wenn mir mal ein Kasten vom Fensterbrett geklaut wird, ist es auch nicht so schlimm“, findet Anni Jantke aus der Michaelisstraße. Ihre Gestaltung mit roten Geranien in beiden Hausetagen und Efeu und Stockrosen am Giebel wurde beim diesjährigen, vierten Gartenwettbewerb mit einem Sonderpreis ausgezeichnet. Im kleinen Hof gibt es hinter einem Rosentor sogar einen Miniteich. Sohn Stephan saniert gerade das Haus nebenan, Mutter hat schon Ideen für die Bepflanzung der Fensterkästen
Auch Anni Jantke hat inzwischen ihre blühenden Lieblingsecken auf der Inselstadt: Zum Beispiel das kleine Stufenportal des Gartenkontors Anja Möller in der Kirchsstraße: Rosen, Malven und Lavendel wurden hier in ein schmales Beet gepflanzt. Auch das Café an der Föhse ist mit seinen blühenden Pflanzkübeln und Ranklern zum Inseleingangstor geworden, auf dass Anni Jantke stolz ist.
Weiter Richtung Inselmarkt sieht es trister aus. Während sich versteckte Gassen zu kleinen Oasen entwickeln, hat in der Torstraße die Stadt mit acht Bottichen mit Apfelbäumen selbst einen Akzent setzten müssen. Auch der Marktplatz und die Baderstraße blühen Inselbegrüner Baldur Martin nicht bunt genug. Die Möglichkeiten der Dekoration mit Kübeln und Fensterkästen seien längst nicht ausgereizt. „Wenn man über den Springbrunnen weg auf die Wand schaut, würde es doch schöner aussehen, wenn es oben blüht“, zeigt er auf eine Fassade. Manchmal ist seine Überredungskunst gefragt, „irgendwann stellen die Leute dann was hin, damit sie mich los sind“, sagt er lächelnd.
Beim Bemühen, Außenfassaden oder Regenabflüsse mit Knöterich, Wein, Efeu oder Geißblatt zu berankeln, gab es anfangs auch Missverständnisse: Bürger wurden von der Stadt ermahnt, weil eine Ecke vom Straßenpflaster aufgenommen wurde, mancher hat es danach aufgegeben. „Gemahnt wurde aber nicht, weil jemand etwas gegen Begrünung hat“, stellt Martin klar: Das Pflaster sei unter Spannung verlegt. Wird es herausgenommen, muss ein Fachmann ran. „Auch eine ordentliche Einfassung gehört dann dazu.“
Die Stadt will Vorbild auf der Insel sein. Mancher freut sich, dass an der Föhse wieder das Schilf wachsen darf. Alwin Kinzel ist angestellt, um die vielen, seit der Wende entstandenen öffentlichen Grünanlagen in Schuss zu halten. Linden sind zu kappen, Rasen zu mähen, das Unkraut lässt nicht locker. Nach dem Blütenfest ist manches zertrampelt und muss neu angelegt werden. Und in Sommern wie diesen kann auch das Gießen zur Vollbeschäftigung werden.
Perfektion wird von den Insulanern nicht erwartet, wenngleich Familie Giese bei ihrem zur Miniaturoase umfunktionierten Buddelkasten schmunzelnd auf den Schlosspark Sanssouci verweist: Sohn Stephan arbeitet dort inzwischen als Landschaftsgärtner. Der kleine Garten an der Michaelisstraße entstand aus Pflanzabfällen, die er aus Potsdam mitbrachte.
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