KulTOUR: Zwei mal Zwei
Liebeskomödie in der Kleinen Bühne
Stand:
Michendorf - Familiäre oder auch freundschaftliche Nähe kann manchmal ganz nett sein, wird aber stubenfliegenlästig, wenn es um das Privateste geht. Diese Erfahrung machten in Neil Simons Komödie „Das zweite Kapitel“ gleich zwei, die ihren Partner verloren, der Schriftsteller George und die Aktrice Jennie. Sein Bruder Leo und ihre beste Freundin Faye setzen alles daran, die beiden zu verkuppeln, und obwohl dieselben das gar nicht wollen, sind sie im Handumdrehen ein Paar. Trotzdem geht die Chose nicht auf.
Ein Grund, die neue Inszenierung der Kleinen Bühne Michendorf zu besuchen? Unbedingt, dieses vorzüglich gebaute Vierpersonenstück von Sabina Riedel hält für „Boulevard“-Empfängliche Boulevard, für Komödiensucher Komödie, für Freunde „guten Theaters“ gutes Theater bereit. Ideal! Neil Simons Konzept ist einfach: Während George (Mario Schüning) und Jennie (Judith Sehrbrock) gar nicht zusammenkommen wollen und trotzdem ein Paar werden, so zeigen Leo (Patrick O’Brien) und die superschrille Faye (Désirée Angersbach) die Gegentendenz: Längst sind sie heimliche Bettgenossen, werden es im Verlauf der zweistündigen Vorstellung aber nicht bleiben.
Solch Nebeneinander wird auch im simultanen Bühnenbild deutlich. Links das Zimmer des Autors, rechts Jennies Appartment – und vorneweg der Türkische Marsch von Mozart. Für die Regie ist es immer schwer, die ideale Balance zwischen den Hauptfiguren zu halten; dass Sabina Riedel die weibliche Hauptrolle bevorzugt hat, tat der Inszenierung gut.
Judith Sehrbrock hatte anfangs die selbstbewusste Power-Frau zu mimen, nach ihrer Verzauberung durch George oder Cupido die bedingungslos Liebende, eine dankbare Aufgabe für jede Schauspielerin. Wie sie nun von einer zur anderen Position kam, zeigte sie zwar nicht, dafür erreichte sie zum Finale hin als Einzige jene Grenze, wo die Darstellerei aufhört und die ganz große Kunst beginnt.
Mario Schüning haben solch dramaturgische Feinheiten nicht so gekümmert, irgendwo zwischen Teddy und liebevollem Deppen angelegt, spielte er eher das Plätschern der Ebenen; warum sollte man ihm die Anhänglichkeit an seine verstorbene Gattin glauben, wenn er das kaum mal anspielt? Zusammen allerdings war das Paar bis in akute Herz- und Hautnähe überzeugend. Auch die Figur des Leo blieb ohne Profil und Ausdruck, beides hatte dafür Désirée Angersbach, ein Sausewind an Oberflächlichkeit und Zeitgeistigkeit. Sie sucht den Seitensprung und bleibt dabei doch liebenswert. Ein bisschen mehr Tiefgang - und es gäbe eine zweite Figur mit Profil.
Trotz aller Einwände also eine sehr gefühlvoll eingerichtete Arbeit, alert und flockig auf die Bühne gebracht, vom Geist zu Liebe und Theater getragen. Besonders das versöhnende Finale rührte an, so lieb, so zärtlich war das gemacht. Wer seinem Nächsten was Gutes tun oder jemanden kennt, der sich mit klarem Jein scheiden lassen will, dem sei diese schöne Inszenierung ans Herz gelegt. Gerold Paul
Weitere Aufführungen: 25. und 26. Mai, 19.30 Uhr, 27. Mai 17 Uhr, 30. Mai 19.30 Uhr.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: