Potsdam-Mittelmark: Zweifel Begegnung mit wenig bekannter Dichterin
Die erste Wilhelmshorster „LiteraTour-Live“ widmete sich Anneliese Cichonzyk
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Die erste Wilhelmshorster „LiteraTour-Live“ widmete sich Anneliese Cichonzyk Vielleicht sind wir es gar nicht mehr oder noch gar nicht, nur so gewollt oder immer schon so gewesen. Vielleicht sind wir versteckt in einem lange schon, den wir Bruder oder Feind nennen. Von Klaus-Peter Anders Michendorf-Wilhelmshorst. Es war wohl Bestimmung, dass sie sich fast lebenslänglich mit der Fabulierkunst beschäftigt, aber reiner Zufall, dass Sie nach Wilhelmshorst kam: Anneliese Cichonzyk ist seit 1954 - wenn auch in verschiedenen Häusern – Einwohnerin von Wilhelmshorst. Und die Qualität ihrer Gedichte - sofern dieser Parameter in der Lyrik überhaupt erlaubt ist - ist sicher nicht unwesentlich von den Wilhelmshorster Großdichtern Huchel und Arendt beeinflusst. Ihre langjährige Wohnung lag schräg gegenüber dem Huchel-Haus, und Erich Arendt lobte bei gelegentlichen Gesprächen dann auch mal einige ihrer Gedichte als „sehr schön“ und gab ihr so Ansporn für weitere Schöpfungen. „Man beschäftigt sich natürlich viel intensiver mit einem Thema, wenn man sich im Wirkungsfeld solcher Koryphäen befindet“, gesteht Anneliese Cichonzyk zu. Hilfreich für ihre Entwicklung war auch die produktive Zeit im Zirkel „Die Schreibenden“ im Potsdamer Hans-Marchwitza-Haus, wo sie durch Kritik und Vergleich ihren Stil verbessern konnte. Wie viel Fleiß in einer vorliegenden Formulierung steckt, kann nach vielfachen Veränderungen nicht mal die Dichterin angeben. Oft wacht sie nachts auf, muss sofort nach Papier und Stift greifen, weil es eine Eingebung zu bewahren gilt. So entstanden etliche hundert Gedichte und zahlreiche Aphorismen, die in zahlreichen Wettbewerben Ehrungen und in manchen Zeitungen ihre Veröffentlichung fanden - zuletzt durch die Aufnahme ihres auch von Wieland Förster gelobten Gedichtes „Als gäbe es die Mitte nicht“ in den 6. Band der Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes. Ein „eigenes“ Lyrikbändchen, das 1990 im Tribüne-Verlag erscheinen sollte, fiel der Wende zum Opfer. Inzwischen hat sie 3 kleine Bändchen in gediegener Ausführung in Eigenregie herausgebracht und daraus auch am Sonnabend zur ersten Wilhelmshorster „LiteraTour-Life“ gelesen. Die Lyrik der Cichonzyk ist zart, vorherrschend sind die leisen Töne. Gerne vermeidet sie auch eine feststehende Meinung, sondern fragt nach, wie in den von ihr besonders gehegten Gedichten „Vielleicht“. Ihre Themen schöpft sie aus der Natur, der Familie und Gesellschaft, und sie beschreibt nicht nur die Schönheit des Momentes, sondern mahnt zugleich die Unzulänglichkeiten der Gegenwart an. Immerhin eine mittlere Gruppe aufgeschlossener Einwohner - zumeist Frauen - fand sich zu dieser vom Märkischen Verlag in Wilhelmshorst initiierten Veranstaltungsreihe ein. Der Gedanke, nicht nur die schon im Dichterolymp befindlichen Größen des Ortes durch die im Frühjahr so erfolgreich gestartete „LiteraTour“ zu ehren, sondern lebendige Gespräche mit den gegenwärtig Schaffenden zu organisieren, ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Einen Künstler im Vortrag in seinem eigenen Lebens- und Schaffensraum zu erleben, ihn zu befragen und mit ihm reden zu können, sei schon ein besonders reizvolles Erlebnis, war man sich einig. Die kleine Auswahl von Gedichten, die Frau Cichonzyk bescheidener Weise mit Unterstützung ihrer Schwägerin las, wurde schon nach einer halben Stunde durch eben die erwünschte Unterhaltung mit der Künstlerin abgelöst, wobei noch einige Anekdoten zum Vorschein kamen. Etwa, wie ein Redakteur ihr in Anbetracht ihrer Jugend und des gehobenen Anspruchs ihres Gedichtes ein „Plagiat“ vermutete oder wie die morgendliche Unterhaltung im Bus unter den berufstätigen Frauen in ein Gedicht Eingang fand. Unerwartete zwei Stunden dauerte die Besetzung des eigentlich ganz normal wirkenden Wohn- und Arbeitsraumes der Cichonzyk, die sie allerdings verkürzte durch eigene Weihnachtsbäckerei und Getränke und so noch gemütlicher gestaltete. Der Gemütlichkeit frönt sie „beim Arbeiten“ allerdings überhaupt nicht - aufrecht auf einem einfachen Stuhl am Esstisch sitzend, der viel Platz für die ausgebreiteten Papiere bietet. Eine Fortsetzung dieser Life-Reihe ist für nächstes Jahr vorgesehen - verbindliche Zusagen ansässiger Künstler sind schon eingeholt.
Klaus-Peter Anders
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