zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Zwischen Gestaltungswillen und Trauerflor

Teltow, Werder und Michendorf warnen vor „Kommunen in Not“ , in Stahnsdorf wird Disziplin gefordert

Stand:

Teltow, Werder und Michendorf warnen vor „Kommunen in Not“ , in Stahnsdorf wird Disziplin gefordert Potsdam-Mittelmark. Forderungen und Appelle sind schon oft aus dem Stahnsdorfer Rathaus geklungen. Schon häufig hat CDU-Bürgermeister Gerhard Enser von Landes- und Bundesregenten verlangt, bessere Rahmenbedingungen für die Kommunen zu schaffen. Doch gestern, als landesweit auf märkischen Rathäusern Protestflaggen gehisst wurden, um von der Kampagne des Städte- und Gemeindebundes „Reformen statt Kahlschlag“ zu künden, blieb dieses wehende Zeichen in Stahnsdorf aus. „Solche plakativen Mitteln sind nicht sachdienlich“, begründet Enser die Stahnsdorfer Nicht-Teilnahme. Vielmehr ist für Enser „Politik auf allen Kanälen“ gefragt. Es brauche keine im Wind tanzenden Pleitegeier, um die Verwalter des Landes vor einem Kahlschlag zu warnen. Wenn jetzt, gleich welcher politischen Coleur, nicht erkannt werde, dass zu handeln ist, sei der Kollaps programmiert. „Wir sind gewählt worden, um zu gestalten“, formuliert Enser seine Erwartung – an die Politiker in Bund und Land, an den neuen mittelmärkischen Kreistag und die Stahnsdorfer Gemeindevertretung. Und an sich selbst: Er fahre seit Jahren eine straffe Haushaltsführung, sein Haus arbeite mit „minimalem Personalaufwand“, bei Ausgaben sei die Gemeinde äußerst restriktiv. Ergebnis: Stahnsdorf, das vor vier Jahren noch auf einem millionenhohen Schuldenberg saß, leiste sich sogar Investitionen. Stahnsdorf – eine Musterkommune, ein Ausnahmefall? „Zumindest herrscht hier ein Realismus“, so Enser, „der sich im neuen Kreistag entwickeln muss und den ich von der Großen Koalition im Land erwartete“. In die „Jammerharfe greifen“ und gleichzeitig, wie bei der immer fraglicher erscheinenden Chipfabrik, weiter „Millionen zu verprassen“ – das passe nicht zusammen und zeuge nicht von wirklichem Reformwillen. Schmidt wird angst und bange Im benachbarten Teltow hat SPD-Bürgermeister Thomas Schmidt gestern um 12 Uhr die Flagge mit dem Aufdruck „Städte in Not“ vom Balkon des Stadthauses gehängt. Dabei hat ihn die Sorge getrieben, dass die Reformen der Bundesregierung „wegen parteipolitischer Geplänkel“ scheitern könnten. „Das wäre fatal“, stöhnt Schmidt. Ändert sich an der Finanzausstattung der Kommunen nichts, „wird es nicht mehr möglich sein, den Teltower Stadthaushalt ausgeglichen zu gestalten“, so sein Unheilsszenario. Spätestens, wenn der Landkreis aus eigener Not eine höhere Umlage in den Städten und Dörfern eintreibt, ist in Teltow ernsthaft über den Abschied von lieb gewordenen Standards nachzudenken: Die Jugendkunstschule, die freiwillige Feuerwehr und Jugendklubs, zählt der Bürgermeister auf. 4,3 Millionen Euro hat Teltow in diesem Jahr an Zuweisungen vom Land bekommen. Ein reiner Durchläufer: Denn die gleiche Summe hatte die Stadt an den Landkreis zu zahlen. Die Zuweisungen des Landes werden sinken, über die Höhe der Umlage im kommenden Jahr mag Schmidt nicht nachdenken: Der Kreis hat ein Defizit von 21 Millionen Euro. „Mir wird angst und bange“, gesteht der Bürgermeister. Stadtflagge mit Trauerflor Selbst in der seit Jahren prosperierenden Stadt Werder werde es nun „sehr eng“, betonte Bürgermeister Werner Große (CDU). Im vergangenen Jahr musste erstmals seit der Wende eine Haushaltssperre verhängt werden. Für 2004 rechnet Große mit einem Finanzloch von etwa 400000 Euro allein durch die Verringerung der Schlüsselzuweisungen und der Einkommenssteuer. „Sollte die Finanzreform noch weiter hinaus geschoben werden, können auch wir unseren Haushalt künftig nicht mehr ausgleichen“, so Große, der auch Präsident des Brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes ist. In erster Linie müsse dann bei den Investitionen gespart werden. So wurde in Werder während der vergangenen Wochen heftig darüber diskutiert, ob die Stadt noch in der Lage sei, die Eigenmittel für ein gefördertes Parkhaus am Bahnhof aufzubringen – ein Projekt, das dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einen weiteren wichtigen Schub bringen soll. „Die Kommunen brauchen endlich Gewissheit für ihre weitere Planung“, forderte der Werderaner Bürgermeister. In diesem Sinne wurde gestern vor dem Rathaus in der Eisenbahnstraße die Protestfahne gehisst. An anderen Stellen, zum Beispiel Unter den Linden, wehte die Stadtflagge mit Trauerflor. Um die dramatische Lage zu verdeutlichen, bleiben die Werderaner Amtsstuben am kommenden Freitag für den Besucherverkehr geschlossen. „Ganz dringende Fälle werden wir jedoch nicht abweisen“, räumte Große ein. Hilferuf an der Bundesstraße „Hier wird die Fahne gut gesehen“, freut sich der amtierende Bürgermeister von Michendorf, Jörg-Peter Melior. Am Fahnenmast vor dem Verwaltungshaus an der B2 könne der kommunale Hilferuf gut wahrgenommen werden. Angebracht ist er hier allemal: In Größenordnungen mussten die Gemeinden des früheren Amtes Michendorfs ihre Grundstücke verkaufen, um einen ausgeglichenen Haushalt 2003 darzustellen. Auch im vergleichsweise wohlhabenden Wilhelmshorst, dass für einige öffentliche Baumaßnahmen in der Nachwendezeit sogar auf Fördermittel verzichtete, lebt man inzwischen vom Tafelsilber. Und die zur Kommunalwahl gebildete Großgemeinde Michendorf stehe nicht besser da als die früheren Gemeinden des Amtes, betont Melior. Die Bündelung der Finanzkraft ändere nichts an der miesen Einnahmesituation. Ob die Gemeindefinanzreform, für die der Städte- und Gemeindebund mit der Aktion werben will, Besserung bringen wird? Melior will lieber keine Prognose darüber abgeben. Zu viele Faktoren gebe es, die den ansich positiven Reformansatz am Ende verwässern könnten. pek/ldg/hkx

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })