KulTOUR: Zwischen Volkskunst und Realismus
Kleinmachnow ehrt Hermann Lohrisch mit einer Ausstellung seiner Werke
Stand:
Kleinmachnow - Was ehrt den verdienstvollen Künstler? Sein Werk. Und wie ehrt man einen verdienstvollen Künstler wohl im hohen Alter ? Mit einer extra schönen Ausstellung eben dort, wo er mehr als fünfzig Jahre seines Lebens und Arbeitens verbracht hat. Ach, würde doch mancher Ort mit den Seinen so umgehen, wie Kleinmachnows Bürgerhaus sich Hermann Lohrischs annimmt, und etlicher vor ihm!
Die Kulturabteilung hat dem so vielseitigen wie bescheiden gebliebenem Künstler zu seinem neunzigsten Geburtstag im Rathaus-Entree eine richtig gute Personalausstellung gewidmet. Ein adäquater Platz, denn hier erinnert sie den innehaltenden wie auch den eiligen Passagier an eine Zeit, die längst vergangen, und dennoch Gegenwart ist – könnte man sie sonst sehen? Ausgestellt sind Bilder und Skulpturen, von den späten Vierzigern bis in die neunziger Jahre der abgelaufenen Zeit reichend. Neben den Aufstellern wird diese Exposition auch bis ins Vorzimmer vom Bürgersaal und in den Arbeitsgang der Amtsleute hinein verlängert. Sogar ein bisschen Porzellan ist dabei, eine Plakette zum 400. Geburtstag der Dorfkirche, oder Katzgetier in zwei Vitrinen.
Hermann Lohrischs künstlerische Zeitreise ist erstaunlich. 1922 in Chemnitz geboren, machte er von 1937 bis 1941 eine Ausbildung als Holzschnitzer in Bayern, besuchte dann die Kunstgewerbeschule in Dresden, wurde Augenzeuge des Untergangs. Nach dem Krieg arbeitete er für kirchliche wie für staatliche Stellen – auch als Restaurator. Das DDR-Ministerium für Kultur ließ ihn nach 1961 sogar bei der modellhaften Rekonstruktion des Potsdamer Stadtschlosses mitmachen. Neben der südbajuwarischen Holzschnitzerei bekannte er sich ein Leben lang zur Tradition der sächsisch-erzgebirgischen Volkskunst und zum Expressionismus Barlachscher Prägung.
Wie stark er dabei dem Realismus verpflichtet blieb, sieht man an vielen seiner Arbeiten, bei den Porträts aus dem fünfziger Jahren zum Beispiel. Er hat Industrieanlagen gezeichnet, die es längst nicht mehr gibt, Schlösser, die heute anders aussehen, Stadtveduten von Chemnitz, Dresden, Glauchau, wobei gerade seine Kielfederzeichnungen besonders gelungen sind. Dann ist da der Verzweifelte in einem Lichtkegel, aus dem er nicht mehr entfliehen kann. Von der Ungewissheit der Zeit und Stunde handelt die eindrucksvolle Zeichnung „Hora incerta“, eine Uhr darstellend, deren Zeiger aus bösen Gewehren bestehen.
Viele Arbeiten schuf Hermann Lohrisch für den kirchlichen Raum, nicht nur die sieben Kruzifixe. Da ist eine Dreiergruppe von Schreitenden, die allesamt nicht gut sehen wollen oder auch können. Oder jener Verzweifelte – unvergesslich. Wie viel Mut muss dazugehört haben, 1949 in der anbrechenden DDR eine Holzskulptur „Die Vertriebenen“ zu nennen, oder ein Aquarell von 1965 „Sterbender Wald“. Später hat sich der Künstler die Mühe gemacht, für neue und gebrauchte Bundesländer (auch für Brandenburg) großformatige Kulturkarten mit allen wichtigen Bauwerken zu zeichnen – eine Steilvorlage für die Reihe Kulturland Brandenburg!
Seit 1958 wohnt Lohrisch also in Kleinmachnow. Darüber sind gewisse wie auch ungewisse (incertae) Zeiten hinweggegangen, doch merkwürdig: Seine Arbeit ist immer noch da, die lustigen Pastelle aus den vierziger Jahren, Kneipenbilder, Orchesterstudien, oder das Werk „Annäherung“, wo er will, sie aber sich wehrt. Ins Goldene Buch der Gemeinde durfte Lohrisch sich bereits eintragen. Und nun hat er eine schöne und wichtige Ausstellung mit der zungenstillen Botschaft: DasWerk ehrt den Meister! Gerold Paul
Die Ausstellung „Zeitreise“ bis zum 16. Oktober zu den Öffnungszeiten des Kleinmachnower Rathauses zu sehen.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: