zum Hauptinhalt
Fatma Said im Berliner Konzerthaus

© James Bort

Sopranistin Fatma Said: „Sprechen schadet mehr als Singen“

Ein Gespräch mit Fatma Said über die winzigen Muskeln, die wir brauchen, um uns zu artikulieren - und die Herausforderung, sie richtig einzusetzen

Von Frederik Hanssen

Stand:

Fatma Said wurde 1991 in Kairo geboren und hat an der Berliner Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ studiert. Sie ist eine international gefragte Sopranistin, hat bereits zwei hochgelobte Alben beim Label Warner Classics veröffentlicht und ist in dieser Saison „Artist in Residence“ am Berliner Konzerthaus.

Frau Said, warum nehmen Sie weiterhin Gesangsunterricht. Warum?
Je besser sich die Karriere entwickelt, umso dringender ist die Kontrolle der technischen Seite des Gesangs. Beim vielen Reisen und Proben merkt man selbst oft nicht, wenn man etwas falsch macht und damit die Stimme gefährdet.

Dazu braucht hat es einen Außenstehenden mit Fachkenntnissen?
Ja, denn man kann an der Stimme merken, ob einem etwas auf der Seele liegt. Wenn der Atem nicht so harmonisch fließt, dann geht das Singen nicht mehr gut. Die Arbeit mit meiner Gesangslehrerin sehe ich als essenziell. Wenn ich für eine längere Zeit nicht bei ihr war, merke ich das sogar in meiner Stimme sofort und würde gerne wieder zu ihr, damit wir an meinen Problemstellen arbeiten können. Öfter können wir Sänger auch unsere Probleme nicht von alleine lösen. Wir hören uns selber nicht wie wenn ein Profilehrer uns zuhören würde. Wir sind öfter mit unserer Interpretation beschäftigt und denken nicht zu viel an Technik.

Sehr langsam entwickele ich eine Stimm-Awareness

Sopranistin Fatma Said

Sind Sängerinnen und Sänger wegen ihrer sensiblen Arbeitswerkzeuge, also den Stimmbändern, gezwungen, als Mimosen durchs Leben zu gehen?
Wir sprechen hier von Muskeln, die weniger als drei Zentimeter lang sind. Das ist Arbeit im Detail. Da geht es um Millimeter. Außerdem müssen die Muskeln um den Hals richtig funktionieren, die Muskeln im Bauch und am Rücken. Aber auch generell gilt: Sprechen schadet der Stimme mehr als Singen. Weil man ja nicht systematisch lernt, wie man spricht. Ich habe gelernt, wie ich richtig singe, dafür habe ich eine Technik. Darum manche ich mich nicht kaputt, auch wenn ich laut singe. Das ist kontrolliert. Aber wenn wir reden, wenn wir weinen, wenn wir wütend sind, dann haben wir keine bewusste Kontrolle über unsere Stimme. Darum versuche ich aufzupassen, wie ich mit meiner Sprechstimme umgehe.

Wie funktioniert das?
Wenn ich viel geredet habe, mache ich bewusst eine längere Pause. Sehr langsam entwickele ich so eine Stimm-Awareness. Wenn es mit der Stimme nicht gut geht, schämt man sich. Als wenn man selbst der Grund wäre dafür. Oft liegt der Grund aber außerhalb von uns. Die Stimme ist sehr leicht beeinflussbar, durch Emotionales, auch durch das Wetter, durch hormonelle Einflüsse.

Das betrifft jeden Menschen, nicht nur Sängerinnen und Sänger.
Der mentale Status des Körpers hat einen direkten Einfluss auf die Stimme, positiv wie negativ. Ist man aber happy, ist man frisch verliebt, braucht man nur zwei Stunden Schlaf und die Stimme funktioniert! Wir alle nutzen die Stimme, um uns zu äußern, um uns auszudrücken, und wenn das mit einem Mal zur Belastung wird, ist es sehr schwierig, damit umzugehen.

Was beobachten Sie in Ihrem Umfeld?
Seit ich Sängerin bin, höre ich im Alltag bei sehr vielen Menschen, dass ihre Stimmen nicht richtig funktionieren. Wenn ich jemanden neu kennenlerne, möchte ich ihr sagen: Es ist ganz falsch, wie du sprichst! Das mache ich natürlich nicht. Aber jemand müsste es ihnen sagen, denn sonst wird es schwierig auf längere Sicht.

Was meinen Sie damit?
Meine Schwester ist Lehrerin, auch sie arbeitet mit der Stimme. Wenn die nicht funktioniert, fühlt sie sich nicht komplett, kann mit den Schülern nicht so kommunizieren wie sie möchte. Es gib keine Nerven auf den Stimmbändern, deshalb fühlt man nicht, wenn sie wehtun. Aber man fühlt eine Schwere, eine Belastung.

Was ist dann zu tun?
Wir müssen mehr reden über Stimmbelastung. Jeder, nicht nur die Sänger.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })