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Gut bekannt. Die früheren Braunschweiger Ken Reichel (r.) und Trainer Torsten Lieberknecht.

© Peter Steffen/dpa

1. FC Union gegen MSV Duisburg: Ken Reichel will diesmal gegen Lieberknecht treffen

Unions Abwehrspieler reifte einst in Braunschweig unter Torsten Lieberknecht zum Kapitän heran. Nun sind die beiden Rivalen - zumindest 90 Minuten lang.

Von David Joram

Die Zeit, in der noch alles normal lief, liegt nun ein Jahr zurück. Im Februar 2018 gab Mario Reichel dem Online-Portal "liga-zwei.de" ein Interview: „Braunschweig ist seine Heimat geworden. Wenn alles normal läuft, wird er bei der Eintracht seine Karriere beenden.“ Mario Reichel sprach über seinen Sohn Ken, der in der Folge miterleben musste, dass für seine Eintracht nichts mehr normal lief, sondern vieles schief und am Ende alles den sprichwörtlichen Bach hinunter.

Im Sommer kullerten dicke Tränen an tausenden gelb-blauen Wangen hinab, als die Eintracht am 34. Spieltag der Zweiten Liga bei Holstein Kiel 2:6 unterging. „Sich heute hier den Fans zu stellen, war der schwerste Moment in meinem Leben. Ich kann verstehen, dass sie uns hassen“, sagte Ken Reichel nach dem Abstieg an der Kieler Förde. Über die Ursachen dieses grandiosen Absturzes rätseln sie beim Deutschen Meister von 1967 noch immer. Erst recht, weil der Verein auch in Liga drei umherirrt wie ein löchriges Schlauchboot auf hoher See, antriebs- und orientierungslos, auf Tabellenplatz 19 rangierend. Es droht die Viertklassigkeit.

Lieberknecht stellte Reichel auf die linke Abwehrseite

Ken Reichel, den alten Kapitän, tangiert dies kaum noch. Der 32-Jährige hat beim 1. FC Union eine neue sportliche Heimat gefunden. An diesem Samstag dürfte die Braunschweiger Vergangenheit aber nochmal in Reichels Kopf zurückkehren. In Duisburg trifft Reichel mit Union auf Torsten Lieberknecht, seinen alten Trainer aus Braunschweiger Tagen, der nun mit dem Zweitliga-Schlusslicht MSV das schaffen soll, was ihm mit Braunschweig so sträflich misslang: den Klassenverbleib. „Mitgefühl gibt es am Wochenende nicht. Wir brauchen die drei Punkte genauso“, sagt Reichel vor dem Treffen mit seinem einstigen Mentor.

Dass in dem Wiedersehen zumindest ein Hauch von Herzlichkeit stecken wird, darf man aber annehmen. Immerhin habe ihn Lieberknecht „schon ein bisschen geprägt“, sagt Reichel – und untertreibt damit auch ein bisschen. Neun Jahre trainierte der jetzige Duisburger Coach den gebürtigen Berliner, förderte ihn erst intensiv, um ihn dann sogar zu befördern – zum Kapitän.

In 267 Pflichtspielen (20 Tore) lief Reichel für die Eintracht auf, bei fast allen stand Lieberknecht an der Seitenlinie. „Als Kapitän hatte ich schon einen intensiveren Kontakt zum Trainer“, sagt Reichel. Lieberknecht legte auch fest, dass Reichel auf die linke Abwehrseite wechseln solle. „In meiner Anfangszeit, als ich von den HSV-Amateuren kam, habe ich Innenverteidiger gespielt“, erinnert sich Reichel.

In der Saison 2012/2013 sind Lieberknecht und Reichel dann zusammen in die Bundesliga aufgestiegen. „Mit Braunschweig haben wir damals über unserem Limit gespielt, wir hatten einen super Lauf. Das war eine gute Truppe, eine Riesensaison“, findet Reichel, der auf 27 Erstligaeinsätze kam. Für ihn wie für Lieberknecht war deshalb klar, dass sie dem Klub auch nach dem direkten Abstieg treu bleiben würden.

Im Sommer endete die wunderbare Geschichte von den Treuen aus Braunschweig schließlich traurig, die Wege trennten sich. Reichel sagt: „Das war für mich eine neue Situation. Ich habe mich dann bewusst dafür entschieden, in meiner Karriere etwas anderes zu machen.“ Es war wohl die richtige Entscheidung. 17 Spiele für Union, alle von Beginn an, stehen bislang in Reichels Bilanz, er spielt meist unaufgeregt und abgeklärt. Mit seiner Routine - am vergangenen Spieltag gegen Sandhausen machte er sein 200. Zweitligaspiel - trägt er dazu bei, dass Union die beste Defensive der Liga stellt. Sogar der Aufstieg winkt in seinem ersten Jahr an der Alten Försterei.

Einen kleinen Makel hat diese für Reichel bislang so ordentlich verlaufende Saison, er hat noch kein Tor erzielt. Dazu sagt Reichel: „Wenn Union gegen Lieberknecht gespielt hat, habe ich in den letzten Spielen immer das erste Tor geschossen – für Lieberknecht. Vielleicht läufts ja dieses Mal andersrum. Ich würde mich auf jeden Fall freuen.“ Reichel gegen Lieberknecht, das wäre vor einem Jahr alles andere als normal gewesen.

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