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Schnauze voll. Wolfsburger Anhänger nach dem 1:4 ihrer Mannschaft bei RB Leipzig.

© Robert Michael/AFP

Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga: Vergiftetes Klima beim VfL Wolfsburg

Der Klub aus der Autostadt versinkt im Chaos. Team und Trainer Bruno Labbadia bilden keine Einheit, die Fans spotten nur noch.

Vielleicht hat Bruno Labbadia wirklich geglaubt, was er da erzählte. Später am Nachmittag, als die Erinnerung an das Debakel doch noch hätte frisch sein sollen und der Trainer des VfL Wolfsburg tapfer Phrase an Phrase reihte, immer bemüht, Positives zu sehen, wo doch nichts Positives war. Also: „Wir liegen jetzt auf dem Boden und müssen so schnell wie möglich wieder aufstehen.“ „Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen.“ Oder: „Am Anfang haben wir es wirklich top gemacht.“ Allerdings nur eine Viertelstunde lang, und das ist ein bisschen wenig für eine Mannschaft, die sich doch mit aller Macht und Kraft gegen den Abstieg aus der Bundesliga stemmen sollte.

Beim 1:4 am Samstag gegen die gleichfalls kriselnden Rasenballsportler aus Leipzig spielte der VfL exakt so, wie es für eine Versetzung in die Zweite Liga erforderlich ist. Zaghaft, ohne jedes Selbstbewusstsein und mit einem Hang zu Fehlern, wie er schwerlich zu erklären ist bei einer Gruppe junger Männer, die den lieben langen Tag nicht anderes im Kopf haben sollte als Fußball. Diese Mannschaft ist mit viel Geld, aber ohne Sinn und Verstand zusammengestellt worden. Eine Ansammlung von Schönspielern wie Daniel Didavi, Yunus Malli oder Divock Origi, einem Leihspieler vom FC Liverpool, wie immer er dort mal einen Vertrag ergattert haben mag. Der Belgier Origi legte am Samstag größten Wert darauf, bloß nicht zu heftig in einen Zweikampf verwickelt zu werden. Was geht ihn diese Saison, was geht ihn dieser Klub an? Abstiegskampf ist harte Arbeit, aber es gibt kaum Arbeiter in dieser fußballerischen Repräsentanz der Arbeiterstadt Wolfsburg.

Bruno Labbadia ist für die Zusammenstellung dieser Mannschaft nicht verantwortlich. Als dritter Trainer in dieser missratenen Spielzeit nach Andries Jonker und Martin Schmidt steht er am Ende einer Fehlerkette, die beim gerade entlassenen Sportdirektor Olaf Rebbe ihren Anfang genommen hat. Labbadia weiß um die Unzulänglichkeiten des Wolfsburger Kaders – und dass er vor ein paar Wochen ausschließlich für deren Beseitigung rekrutiert worden ist. Der Fußballlehrer Labbadia wird nicht gerade für nachhaltiges Arbeiten geschätzt, aber in der frühen Phase seiner bisherigen Engagements hat er es noch immer geschafft, aus seinen Mannschaften mehr herauszukitzeln, als eigentlich in ihnen steckt. Das war in Leverkusen so, in Stuttgart und vor allem beim Hamburger SV, den er vor drei Jahren vor einem sicher geglaubten Abstieg bewahrte.
Nur in Wolfsburg will ihm einfach nichts gelingen.

Maximilian Arnold: "Noch stehen wir auf dem Platz und nicht der Trainer."

In zehn Spielen unter seiner Anleitung gab es einen Sieg und ganze sechs von 30 möglichen Punkten. Zuletzt hat der VfL vier Niederlagen am Stück eingefahren, garniert mit 3:14 Toren. Labbadia steht vor einer Situation, wie er sie nicht kennt. Er findet keinen Zugang zu seinen Spielern, von der Mehrheit wird er offensichtlich gar abgelehnt. Nach der 1:3-Niederlage vor einer Woche gegen den HSV sollen Wolfsburger Profis noch aus der Kabine die lokalen Reporter mit der Botschaft versorgt haben, dass es mit diesem Trainer nun überhaupt keinen Zweck habe.

Ob denn vor dem letzten Spiel am kommenden Samstag gegen den 1. FC Köln vielleicht ein neuer Trainer helfen würde? Der Mittelfeldspieler Maximilian Arnold beantworte diese aufdringliche Frage in Leipzig mit einer Floskel, wie sie aus dem Repertoire von Bruno Labbadia stammen könnte: „Noch stehen wir auf dem Platz und nicht der Trainer.“ Weniger Solidarität ist jenseits offener Rebellion schwerlich vorstellbar.
Das Publikum steht Labbadia seit dessen Amtsantritt im Februar ablehnend gegenüber. „Wir steigen ab, wir kommen nie wieder – wir haben Bruno Labbadia“ – so sangen es auch am Samstag die nach Leipzig mitgereisten Fans. Um die 100 warteten zur Abendstunde an der Wolfsburger Arena. Weil ein warmherziger Empfang nicht unbedingt zu erwarten war, improvisierte der Fahrer des Mannschaftsbusses und setzte seine Fracht an einem anderen Ort ab. Der Vorstandsvorsitzende Tim Schumacher sah sich zu dem Communiqué genötigt, dass der VfL weiterhin „voll hinter dem Trainer“ stehe und davon überzeugt sei, „dass wir die fehlenden Punkte für die Relegation holen werden. Theoretisch, wenn auch nicht aus eigener Kraft, wäre bei einem Sieg ja auch noch der direkte Klassenerhalt denkbar.“

Es wäre eine hübsche Pointe, wenn der mit bisher so großem Misserfolg geschlagene Labbadia sich in Wolfsburg doch noch als Retter verewigen sollte. Dafür müsste der SC Freiburg sein finales Heimspiel gegen den FC Augsburg verlieren und der VfL die bereits abgestiegenen Kölner besiegen – keine nur im theoretischen Raum vorstellbare Konstellation. Für den Relegationsplatz 16 genügt schon ein Wolfsburger Remis, da der zuletzt so erfolgreich aufspielende HSV einigermaßen überraschend 0:3 in Frankfurt verlor. „Das ist ja das Seltsame“, sprach Maximilian Arnold. „Wir bekommen jede Woche aufs Neue die Chance zur Rettung und vergeben sie immer wieder.“

Fortsetzung folgt am kommenden Samstag.

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