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Sport: Alba droht der Abfall

Sehr sauber müssen die Basketballer von Alba Berlin gestern nach Hause gegangen sein. Mehr als eine Stunde lag das Drama gegen Würzburg schon zurück, die Sieger hatten längst im Vip-Raum der Max-Schmeling-Halle ein Bier auf ihren 77:72 (41:45)-Sieg beim Noch-Meister getrunken.

Sehr sauber müssen die Basketballer von Alba Berlin gestern nach Hause gegangen sein. Mehr als eine Stunde lag das Drama gegen Würzburg schon zurück, die Sieger hatten längst im Vip-Raum der Max-Schmeling-Halle ein Bier auf ihren 77:72 (41:45)-Sieg beim Noch-Meister getrunken. Doch die Verlierer blieben unsichtbar. Machten sich die Spieler gegenseitig nieder, wollten sie allein ihren Niedergang beweinen oder einfach den Moment hinauszögern, bevor sie den schützenden Kabinentrakt verlassen mussten? Und Erklärungen abliefern mussten für etwas, was keiner so recht zu erklären vermag: Albas drohenden Abfall ins Mittelmaß der Bundesliga. "Es gab in der Kabine nichts Besonderes. Ich habe nur lange geduscht", sagte Stefano Garris. Der Schweiß ließ sich wegspülen, Frust und Ratlosigkeit nicht.

Ratlosigkeit. Sie vor allem blieb nach der erneuten, ernüchternden Niederlage. Der Demontage am Mittwoch beim 71:100 in Treviso, die das Aus in der Euroleague bedeutete, folgte vor 5089 Zuschauern eine Heimpleite gegen eine Mannschaft, die nicht einmal zur deutschen Spitzenklasse zählt. Für Alba war es in der laufenden Saison die fünfte Niederlage in der Bundesliga. Die bisherigen Heimniederlagen hatte es gegen die Topteams Leverkusen und Köln gesetzt. Doch nun gewinnen plötzlich Durchschnittsmannschaften in der Max-Schmeling-Halle. Als Tabellenachter traten die Würzburger an, die sich nach einem Trainerwechsel deutlich gesteigert und auch beim Titelaspiranten Leverkusen gesiegt hatten. Alba war gewarnt - und doch über weite Strecken machtlos. Die Würzburger machten, angeführt vom deutschen Nationalspieler Marvin Willoughby, frech ihr Spiel. Dabei hatten die Berliner im zweiten Viertel aus einem 28:36 noch ein 45:41 gemacht und hätten selbstbewusst in die zweite Halbzeit gehen können. Doch sie brachen völlig ein und kamen nach der Pause bei Feldwürfen nur auf eine Trefferquote von rund 25 Prozent, im ersten Durchgang waren es 47 Prozent. Selbst 18 Punkte und 16 Rebounds von Dejan Koturovic und je 16 Zähler von Wendell Alexis und Marko Pesic konnten das Debakel nichts verhindern.

"Würzburg war besser", sagte Trainer Emir Mutapcic lapidar. "So schlecht geworfen haben wir noch nie. Außerdem hat uns die Aggressivität gefehlt." Die Mannschaft will - aber sie kann nicht. Nach dem vorweihnachtlichen Hoch mit Siegen gegen Tabellenführer Frankfurt und gegen Bonn geht es jetzt wieder steil bergab. Mit starrem Blick saß der verletzte Kapitän Henrik Rödl auf der Ersatzbank, Präsident Dieter Hauert und Vizepräsident Marco Baldi blieben auf der Tribüne zwar emotionslos - aber in ihnen dürfte es gekocht haben. Öffentliche Kritik an einzelnen Spielern oder dem Trainer lehnt Baldi ab, "das ist eine Stilfrage. Wir fassen uns sicher nicht mit Samthandschuhen an, aber wir klären das intern." Dass etwas passieren wird, daran freilich ließ Baldi keinen Zweifel: "Heute hat jeder gesehen, dass es so nicht weitergeht. Wenn es heute etwas Positives gab, dann, dass man den ganzen Schmerz der Niederlage gespürt hat." Und dass eben nicht in letzter Minute der Ball noch zum Sieg, mit dem man sich selbst betrügen kann, in den Korb fiel. Die Krisenmaßnahmen wollte Baldi nicht nennen, "wir haben unser Repertoire, mit dem wir gute Erfahrung gemacht haben". Vor allem die mentale Stärke müsse sich wieder einstellen, "die brauchen wir 40, nicht fünf Minuten". Von einem personellen Umbruch in absehbarer Zeit will Baldi nichts wissen, "wir glauben an das Team, das wir haben".

Mutapcic war nicht ganz so umgänglich. Der schwache Spielmacher Derrick Phelps, der sich im zweiten Durchgang auswechseln ließ, "hat mir gesagt, er sei nicht fit. Für mich war er gesund und hat schlecht gespielt", kritisierte der Trainer. Phelps als Drückeberger also. Er selbst sprach von Knieproblemen, die er seit einer Woche habe. Nach seiner Polypenoperation vor Weihnachten sei er noch nicht wieder in Form, deshalb habe er sich auswechseln lassen, "dann hat der Trainer mich nicht mehr gebracht".

Pesic, Lütcke, Schultze und Garris fahren nun mit der Nationalmannschaft zur EM-Qualifikation in Mazedonien und Kroatien. Anschließend, sagt Mutapcic, "ist für uns jedes Spiel Krieg". Und wenn Alba den verliert, könnte eintreten, was Wendell Alexis sagt: "Das war heute nicht der Tiefpunkt. Wir können noch tiefer fallen."

Helen Ruwald

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