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Sport: An- und Verkauf

Valerien Ismael wird nicht der letzte Bremer Spieler bleiben, der den Klub verlässt – Werder ist auf Transfererlöse angewiesen

Im Herzen der Bremer Altstadt, an der Südseite des Marktplatzes, steht der Schütting. Das 1538 erbaute Haus ist die Heimat der Bremer Kaufleute. Einst handelten sie mit Kaffee und Gewürzen und machten Bremen so zu einer reichen Stadt. Über dem Portal steht bis heute ihr Leitspruch: „Buten un binnen – wagen un winnen.“ Das ist niederdeutsch und heißt übersetzt so viel wie: Wer wagt, gewinnt, in und außerhalb der Stadt.

Unten am Fluss, unweit der Stelle, wo früher die Koggen ankerten, steht das Weserstadion, die Heimat des SV Werder Bremen. Der Seehandel hat sich mit Einführung der Containerschiffe nach Hamburg und Bremerhaven verlagert, die erfolgreichsten Bremer Kaufleute sind heute die des SV Werder. Ihr Chef ist Jürgen L. Born. Gäste begrüßt er mit einem kräftigen „Moin, moin“. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der „Werder Bremen GmbH & Co. KG aA“ würde in einem Film einen guten Konsul Buddenbrook abgeben, so sehr entspricht er dem Bild eines Kaufmanns alter Schule.

„Wagen un winnen“ – dieses Motto beherzigt auch Born, wenngleich er mit seiner Kaufmannsmoral etwas anachronistisch wirkt im modernen Profifußball. Etwa wenn er beklagt: „Ich habe meine Verträge immer eingehalten. Aber das Fußballgeschäft ist in dieser Hinsicht wohl atypisch.“ Born bezieht sich damit auf die Wechselabsicht von Valerien Ismael. Werders Abwehrchef möchte in der nächsten Saison bei Bayern München spielen. Born sagt zwar: „Wir haben uns noch nicht entschieden, ob wir ihn freigeben.“ Dennoch wird Ismael wohl gehen. „Was haben wir davon, wenn hier einer mit langem Gesicht herumläuft, weil wir ihm die Zukunft verbaut haben?“, fragt Born.

Der Verlust des beliebten Franzosen hat in Bremen Verzweiflung ausgelöst. Die Angst ist groß, dass Werder ewig ein Ausbildungsklub bleiben wird. Ein Verein, der Talente zu sich holt, Spieler aus unteren Ligen oder solche, die anderswo nicht zurecht kommen, sie aber irgendwann an größere Klubs verliert: Rudi Völler gehört dazu, Karlheinz Riedle, Claudio Pizarro, Frank Rost, Torsten Frings, Fabian Ernst – oder eben Valerien Ismael.

„In der Liga gibt es nur zwei oder drei Klubs, die im Fett schwimmen“, sagt Born. „Andere haben eine Region wie das Ruhrgebiet hinter sich oder wie Leverkusen und Wolfsburg einen Konzern. Wir haben das alles nicht. Wir müssen uns auf uns selbst verlassen.“ Der Klub sei deshalb darauf angewiesen, Erlöse auch durch Spielerverkäufe zu erzielen.

In den Siebzigerjahren hat Werder mit der so genannten Millionenelf einmal versucht, groß rauszukommen, gab viel Geld für Spieler aus. Das Experiment scheiterte. Die Millionenelf wäre beinahe abgestiegen. Seitdem sind sie vorsichtig geworden. „Wir werden nie einen Kredit für einen neuen Spieler aufnehmen“, sagt Born. „Nach zwei Jahren geht er ablösefrei und wir haben die Schulden.“ Anders als Dortmund oder Schalke habe Werder keinen, „der uns raushilft, wenn es schief geht“.

Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Klub bisweilen ein höheres Risiko eingehen muss, wenn er sich in der Spitzengruppe der Bundesliga halten will. Der Transfer von Nationalstürmer Miroslav Klose, der vor einem Jahr für fünf Millionen Euro aus Kaiserslautern kam, war ein Schritt in diese Richtung. Einen Spieler der Kategorie Miroslav Klose braucht Werder auch, um Ismael zu ersetzen. Allein schon, damit die Euphorie im Verein über das Erreichen der Champions-League-Qualifikation nicht in Frust umschlägt. „Wir haben Geld auf dem Konto“, sagt Born. Damit könnte etwa Daniel van Buyten vom Hamburger SV verpflichtet werden, auch Per Mertesacker von Hannover 96 oder Robert Huth vom FC Chelsea wären geeignete Kandidaten – sie würden Werder sogar ein Profil geben, das dem Klub unmittelbar vor der WM 2006 nur recht sein kann: die Mannschaft mit den meisten jungen deutschen Nationalspielern.

Ismaels Weggang kann für den Klub also eine Chance darstellen. Ein Kaufmann wie Born wird auch einen anderen Aspekt im Kopf haben. 600 000 Euro hat Werder für Ismael an Racing Straßburg überwiesen. Zehn Millionen könnte der Klub für den Verkauf bekommen. Nüchtern betrachtet, ist das ein gutes Geschäft.

Steffen Hudemann[Bremen]

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