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Angelique Kerber kann endlich auch in kritischen Situationen ihr besten Tennis abrufen.

© dpa

Australian Open: Angelique Kerber: Im Finale mit Ansage

Endlich kein Nervenbündel mehr: Angelique Kerber feiert in Melbourne den größten Erfolg ihrer Karriere - auch dank der Hilfe von Steffi Graf.

Angelique Kerber saß im großen Pressekonferenzraum in den Katakomben der Rod-Laver-Arena und warf kurz einen Blick auf ihr Handy. „Steffi hat mir geschrieben!“, rief sie strahlend und las die Nachricht gleich vor: „Ich gratuliere. Ich freue mich riesig. Lieben Gruß aus Las Vegas.“ Die SMS von Steffi Graf war so etwas wie der Zuckerguss auf diesem glückseligen Tag, an dem Kerber bei den Australian Open erstmals in ihrer Karriere in ein Grand-Slam-Finale eingezogen war.

Lange hatte die 28 Jahre alte Kielerin auf diesen Moment warten müssen, denn bisher war es die Krux ihrer 13-jährigen Profilaufbahn gewesen, dass sie ihre Chancen bei den wichtigsten Turnieren nie zu nutzen vermochte. In Melbourne nun schien es, als hätte sich Kerber von einem bösen Geist befreit. „Ich habe vorher auch oft gut gespielt, aber ich war einfach nie da, wenn es darauf ankam.“ Jetzt ist sie da, und spielt nach dem 7:5 und 6:2-Sieg über die Britin Johanna Konta am Samstag gegen Serena Williams um den Titel.

Die Norddeutsche wird allseits respektiert auf der Damentour, von vielen gemocht. Doch Kerber hat einen Ruf als Nervenbündel. Als Favoritin knickte sie regelmäßig ein. Dass sie diese Schwäche auf der großen Grand-Slam-Bühne von Melbourne nun überwinden konnte, ist sogar noch beeindruckender, als der Finaleinzug an sich. Wohl auch für Kerber selbst. Und so war die Nachricht von Graf dann auch weit mehr für sie, als nur die Gratulation ihres großen Idols. Denn Graf war im letzten Frühjahr für sie dagewesen, als Kerber nicht mehr ein noch aus wusste. Die Kielerin steckte tief in der Krise, war verunsichert und zweifelte, wie sie es so oft tut. Sie fuhr schließlich ins Trainingscamp ihres Ausrüsters nach Las Vegas und traf dort auf Graf. Diese hatte ihr stets Hilfe angeboten, wenn sie sie benötigte. Und die brauchte Kerber dringend. Sie schlugen Bälle und redeten viel. Es tat Kerber gut, dass Graf sie bestärkte. „Steffi hat mir gesagt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und noch mehr an mich glauben soll“, erzählte Kerber. Die Begegnung mit der Rekord-Grand-Slam- Siegerin gab ihr Auftrieb, es lief danach wieder besser für Kerber – wenn auch nicht bei den Majors. Weiterhin blieb sie hinter den Erwartungen zurück, zog die Handbremse an, wenn sie eigentlich durchstarten sollte.

"Diese Anspannung, das wollte ich nie wieder fühlen", sagt Kerber

Bei den Tour-Finals in Singapur im Oktober folgte dann der schlimmste Tiefpunkt für Kerber. Im letzten Gruppenspiel gegen Lucie Safarova brauchte die Weltranglistensechste nur einen Satzgewinn, dann wäre sie für das Halbfinale qualifiziert gewesen. Doch Kerber brach völlig ein. Und war danach fertig. „Ich höre noch das Gerede“, erzählte sie nun, „alle haben gesagt: 'Sie hat ihre Nerven nicht im Griff. Sie kann mit dem Druck nicht umgehen.' Das ging mir noch tagelang im Kopf herum.“ Dieses beklemmende Gefühl auf dem Platz, das eingeschnürt sein, von den eigenen Erwartungen, vom Druck – „diese Anspannung, das wollte ich nie wieder fühlen“, sagte sie. Es war ein Schlüsselerlebnis für Kerber. Sie erklärte ihrem Trainer Torben Beltz: „Das passiert mir nie wieder.“

Und Kerber schuftete in der Wintervorbereitung, noch härter als sie es ohnehin tut und gab die Erfolge bei den Grand Slams als ihr Saisonziel aus. Und plötzlich stand im Viertelfinale der Australian Open gegen Angstgegnerin Victoria Asarenka jene Angelique Kerber auf dem Platz, die sie immer sein wollte: selbstbewusst, aggressiv, entschlossen. „Ich bin seit vier Jahren in den Top Ten, hatte so viele Aufs und Abs, aber habe immer hart gearbeitet und doch an mich geglaubt – das zahlt sich jetzt aus“, erklärte sie. Kerber hat eine Taktik entwickelt, sich selbst den Druck zu nehmen: nicht daran denken, welche Runde und welches Turnier es ist. Nicht überlegen, was passieren kann, wenn man verliert. Nur spielen. „So habe ich es geschafft“, sagte Kerber stolz, „es wurde ja auch mal Zeit. Es musste nochmal etwas anderes kommen bei den Grand Slams. Das habe ich es auch so formuliert. Nun bin ich hier, mit Ansage.“

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