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Jan-Lennard Struff kann auf dem Tennisplatz auch schon mal emotional werden.

© imago/Belga / IMAGO/LAURIE DIEFFEMBACQ

Auch „Mister Davis Cup“ ist nicht immer stark: Tennisspieler Jan-Lennard Struff über mentale Gesundheit und Selbstzweifel

Jan-Lennard Struff ist Deutschlands verlässlichster Davis-Cup-Spieler der vergangenen zehn Jahre. Vor der Endrunde in Bologna richtet der 35-Jährige den Fokus nicht nur auf sein Tennisspiel.

Von Jannik Schneider

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Manchmal benötigt Jan-Lennard Struff einen kleinen Anstubser, um zu der Anerkennung zu gelangen, die er verdient. Das weiß auch Deutschlands bester Tennisspieler Alexander Zverev, der in dieser Woche bei den Davis-Cup-Finals erstmals seit knapp drei Jahren wieder bei der Endrunde dabei ist und Struffs führende Rolle im deutschen Team wahrnimmt, schätzt und fördert.

Auf eine offen gestellte Frage eines internationalen Kollegen bei der offiziellen Pressekonferenz am Dienstag in Bologna nach der Favoritenrolle schaute Zverev nach links und sagte: „Struffi, übernimm du mal.“ Die Antwort fiel konservativer aus, als sie vermutlich Zverev formuliert hätte. Darum ging es aber in diesem Moment nicht. Es ging um Wahrnehmung nach außen und innen.

Jan-Lennard Struff, das ist in der Tennis-Blase bekannt, hat eine vor allem in der Öffentlichkeit eher zurückhaltende Persönlichkeit. Der 35-Jährige wägt stets genau ab, ob und wie er etwas kommuniziert. Damit ist der Tennisprofi stets gut gefahren. Umso überraschender wirkten seine intensiven Aussagen, die er kürzlich im Podcast über mentale Gesundheit „Wie geht’s“ von Fußballprofi Robin Gosens tätigte.

Unter anderem sagte er darin: „Wir sind alle gute Schauspieler, ich glaube nicht, dass sich jeder Spieler zu jeder Zeit gut fühlt. Jeder hat seine Probleme, und es hilft, das zu verstehen, Zeichen zu erkennen.“ Und zu seinen persönlichen Befindlichkeiten meinte er weiter: „Im Jahr, wenn ich ungefähr 50 Matches spiele, sind so fünf, sechs Matches 100 Prozent super. Der Rest ist, damit klarzukommen, was zur Verfügung steht. Klarkommen mit dem, was ich an dem Tag habe, was ich an dem Tag spielen kann, wie ich mental drauf bin und mich durchzukämpfen.“

„Struffi“, wie er im Profitennis von allen gerufen wird, ist ein Spätberufener, der erst mit 18 Jahren seinen ersten Weltranglistenpunkt ergatterte und mit vielen Höhen und Tiefen seinen Weg in die erweiterte Weltspitze fand. 2023 erreichte er mit Rang 21 seine beste Platzierung in der Weltrangliste. 2024, mit 34 Jahren, gewann er seinen ersten ATP-Titel. In diese Hochphase folgten Verletzungen und Selbstzweifel, die ihn sportlich zu einer Auszeit zwangen und zurückwarfen.

Vor allem im Davis Cup war und ist Struff eine verlässliche Größe, fungierte während Zverevs Abwesenheit als Nummer eins und hat im Team-Wettbewerb eine in Relation zu seinen Tourerfolgen überdurchschnittlich gute Einzelbilanz von 20:10. Manche Spieler hemmt die Verantwortung für ein Team. Struffs Leistungsvermögen wächst eher. Die Hoffnung der DTB-Verantwortlichen um Kapitän Michael Kohlmann ist groß, dass Struff als zweiter Einzelspieler schon im Viertelfinale gegen Argentinien am Donnerstag (ab 17 Uhr) eine entscheidende Rolle einnimmt.

Struff über Niederlagen: „Das zerreißt dich.“

Dabei lief 2025 nicht immer alles noch Wunsch. In diesem Jahr habe er als Titelverteidiger in München eine der schlimmsten Performances gezeigt, wie er bei Robin Gosens erklärte. „Da habe ich mir zu viel Druck aufgebaut und konnte das überhaupt nicht handhaben. Da bin ich gnadenlos ausgeschieden.“ Das Schlimmste sei generell, nach Niederlagen irgendwo im Hotelzimmer zu liegen, nicht schlafen zu können und dann habe man noch eine Woche Zeit, bis man das nächste Match spiele. „Das zerreißt dich.“

Außerdem erklärte Struff, wie er sich vor drei Jahren aus Frust den großen Zeh brach und lange ausfiel: „Ich habe damals beim Turnier aus Wut vor eine Handtuch-Box getreten. Normalerweise sind die aus Holz, diese Box war aber aus Beton.“ Er habe mit 31 Jahren das erste Mal in seiner Karriere aufgeben müssen. Das habe ihn zwei, drei Monate gekostet und er sei bis auf Rang 150 abgerutscht.

„Aus der Zehen-Verletzung ist dann eine Folge-Verletzung entstanden, weil ich den Zeh geschont hatte. Nach der Zehen-Verletzung waren Ende 2022 einige Zweifel da. Da hatte ich mich gefragt, ob es das jetzt für mich war oder warum ich das noch mache.“ Verschiedene mentale Übungen und Gespräche mit seinem damaligen Trainer Carsten Arriens hätten Struff in dieser Zeit sehr geholfen.

Vor dem Viertelfinale in Bologna auf diese Aussagen angesprochen, erklärte Struff: „Ich habe total viele positive Reaktionen erhalten.“ Er habe sich viele Folgen des Podcasts vorher angehört und fand das Format von Robin Gosens und seinem Team dahinter extrem gut. „Der Schwerpunkt hat mich sehr interessiert. Deswegen hatte ich Lust, ein bisschen darüber zu sprechen. Bei vielen Sportlern weiß man nicht, was um den Spitzensport herum alles passiert. Ich weiß das bei anderen Sportlern ebenfalls nicht. Deswegen war die Erfahrung schön, darüber zu sprechen.“

Nach seinem frühen Wimbledon-Aus sprach Teamkollege Zverev öffentlich auf viel drastischere Art und Weise über mentale Probleme. Ob man sich intern über mentale Gesundheit auch mal austauscht?

„Im Team sprechen wir untereinander auch schon mal. Wir sind auf der Tour extrem viel unterwegs, sehen uns nicht immer, aber haben super Kontakt zueinander. Ich habe auch hier ein schönes Feedback von ein paar Teammitgliedern erhalten.“

Generell, sagte Struff, tausche man sich unter Teamkollegen ab und zu aus und versuche, sich bestmöglich zu unterstützen. Damit es in dieser Woche im Davis Cup vielleicht mit dem ersten Titel für Deutschland seit 1993 klappt.

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