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Jubel nach dem Aufstieg von Union

© Annegret Hilse/REUTERS

Union Berlin erstmals in der Bundesliga: Aufstieg im Klassenkampf

Ein 0:0 im Rückspiel reicht, der 1. FC Union Berlin schafft den Sprung in die Bundesliga zu Hertha BSC. Der VfB Stuttgart wird zweitklassig.

Von David Joram

Als das Ende gekommen war, brach ein Jubelsturm los, wie es ihn deutschlandweit wohl nur im Stadion An der Alten Försterei zu hören gibt. Auf den Tribünen lagen sich die Menschen in den Armen, unten auf dem Rasen tanzten die Spieler. Es war Ekstase in Reinform, Platzsturm inklusive. Der 1. FC Union ist nach einem 0:0 gegen den VfB Stuttgart erstmals in seiner Geschichte in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen. Es war ein Relegationsrückspiel voller Kampf und Leidenschaft, voller Adrenalin und Energie.

Vor dem Spiel war es An der Alten Försterei noch so, wie es eben meistens ist. Die Fans des 1. FC Union gaben den Ton an, eine Spur lauter als üblich. Noch energischer schrien sie „Fußballgott“, als Stadionsprecher Christian Arbeit die Namen der Union-Spieler verlas, etwas höher reckten sie ihre Schals, als die Vereinshymne erklang. Und eine imposante in rot und weiß gehaltene Choreographie hatten sie auch vorbereitet.

„Wer wartet mit Besonnenheit, der wird belohnt zur rechten Zeit – nun hat das Warten ein Ende, nehmt euer Herz in beide Hände“, stand in Versalien auf einem Banner, entsprechend bebildert. Es sollte ein Festtag werden, dieses zweite Relegationsspiel gegen den Bundesligisten VfB Stuttgart.

Unten auf dem Platz schworen sich die Berliner in einem Kreis ein, den auch die Ersatzspieler mitbildeten. Darunter Michael Parensen, der seinen Platz in der Innenverteidigung für Florian Hübner räumen musste. Im Vergleich zum 2:2 am Donnerstag in Stuttgart tauschte Trainer Urs Fischer auch den Rechtsverteidiger. Weil Kapitän Christopher Trimmel wegen einer Gelbsperre fehlte, begann Julian Ryerson.

Er sollte in der ersten Halbzeit gut beschäftigt werden. Die Stuttgarter dominierten klar. Teilweise wussten sich die Berliner nur mit Befreiungsschlägen zu helfen, so druckvoll traten die Gäste auf. Die erste große Chance hatten sie bereits nach drei Minuten. Dennis Aogo drosch einen Eckball scharf vors Tor, Ozan Kabak schoss Unions Keeper Rafal Gikiewicz an.

Wenig später war Gikiewicz dann ein erstes Mal machtlos. Aogo schnippelte einen Freistoß aus 19 Metern schwungvoll in die Torwartecke. Die Stuttgarter jubelten vor dem Berliner Stehplatzpublikum, vereinzelt flogen Bierbecher. 1:0 für den VfB! Dachten alle Stadionbesucher. Dann meldete sich Videoassistent Guido Winkmann und empfahl Referee Christian Dingert ein Studium der TV-Bilder. Während der Gästeblock mit einer feurigen Pyroshow die vermeintliche Führung feierte, nahm Dingert das Tor wieder zurück. Nicolas Gonzalez hatte bei Aogos Freistoß im Abseits gestanden. „Videobeweis abschaffen“, forderten die Stuttgarter Fans auf einem Transparent umgehend.

Union kämpfte verbissen um jeden Ball

Ihre engagierten Lieblinge schockte das kaum, Anastasios Donis verfehlte kurz darauf aus wenigen Metern das Tor. Eine kleine Pause erhielt Unions Abwehr, als Andersson auf der Gegenseite mit Kabak und Holger Badstuber zusammenprallte. Beide Stuttgarter blieben liegen. Weiter ging es mit einem weißen Dieter-Hoeneß-Gedächtnisturban für Badstuber und einem blauen für Kabak; nach der Pause bekam auch er weißen Stoff geliefert.

Dass Union nach vorn überhaupt nicht stattfand, störte die Fans kaum. Sie feierten Grätschen und Ballgewinne aller Art frenetisch. Als Gikiewicz einen letzten Distanzschuss von Steven Zuber abwehrte, begleiteten sie das 0:0 zur Pause mit donnerndem Applaus. In allen anderen Statistiken führten die Stuttgarter: 6:1 Torschüsse, 62:38 Prozent Ballbesitz, 61:39 Prozent gewonnene Zweikämpfe, 72:52 Prozent Passquote. Aber im Fußball zählen eben nur Tore, weshalb die Berliner zur Halbzeit für die Bundesliga planen konnten.  

Stuttgarts Trainer Nico Willig reagierte. Wie im Hinspiel wechselte er Stürmer Mario Gomez ein, Flügelflitzer Gonzalez musste runter. Stuttgart blieb das spielbestimmende Team, Union im Bälle-lang-nach-vorn-Modus, die Fans lautstark bei der Sache.

In der Coaching-Zone verströmte Urs Fischer seine Fischerruhe, während Manager Oliver Ruhnert nervös auf seinem Stuhl wippte. Nach etwas über einer Stunde wollte er von selbigem schon aufspringen, doch nach einem schönen Spielzug konnte Grischa Prömel den stark rotierenden Ball nicht kontrollieren. Kurz darauf schoss Suleiman Abdullahi an den rechten Pfosten, das Stadion stöhnte auf. Eine Minute später traf er ihn erneut, diesmal im Fallen. Der Auftakt einer hitzigen Schlussphase, den die VfB-Fans mit dem wiederholten Abbrennen von Pyrotechnik einleiteten. Nervöser als sie war nur die Stuttgarter Bank, die vehement einen Handelfmeter forderte, als Hübner den Ball im Strafraum per eingesprungener Grätsche stoppte. Die Pfeife Dingerts blieb stumm.

Union kämpfte verbissen weiter um jeden Ball und hielt den VfB vom eigenen Tor fern, die Zuschauer gaben sowieso mehr als nur ihre Stimmbänder. Die Dramatik spitze sich zu, fünf Minuten Nachspielzeit taten ihr Übriges. Doch dann war Schluss – und der 1. FC Union erstklassig.

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