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Klein gewinnt. James Harden (links) und die Houston Rockets haben ihre ganz eigene Philosophie.

© AFP

Basketball mit Mathematik: Wie die Houston Rockets ohne große Spieler gewinnen wollen

Die Houston Rockets spielen Basketball ohne große Spieler. Dahinter stecken die Liebe zur Mathematik und der Hang zum Dreipunktewurf.

Daryl Moreys basketballerischer Ansatz ist nicht unbedingt etwas für Sportromantiker. Er ist Manager der Houston Rockets, einem der besten Teams der nordamerikanischen Profiliga NBA, und geht das Spiel mathematisch an. Morey liebt Zahlen, Statistiken und Wahrscheinlichkeiten.

Basketball als berechenbares Spiel, sportlicher Erfolg nach Formel: Der „Morey Ball“, wie die Methoden der Rockets in Anlehnung an die „Moneyball“-Jahre beim Baseballteam der Oakland Athletics und dem dazugehörigen Film mit Brad Pitt genannt werden, könnte den Basketball nachhaltig verändern. Und er verfolgt ein klares Ziel: „Wir wollen die Meisterschaft gewinnen“, sagt Morey.

Die Houston Rockets wollen schnell und effizient spielen

Die Grundprinzipien sind simpel. Die Rockets beschränken ihr Offensivspiel bewusst auf zwei Arten eines Korbwurfes: Den Dreipunktewurf und den Abschluss in unmittelbarer Korbnähe. Sogenannte Mitteldistanzwürfe aus dem Zweipunktebereich haben im Spiel der Texaner keinen Platz mehr.

Denn: Der Dreier bringt einen Punkt mehr als der weite Zweipunktewurf und Abschlüsse in Korbnähe bieten eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit auf einen Treffer. Möglichst schnell möglichst viele Punkte mit den möglichst effizientesten Würfen erzielen. Das ist der „Morey Ball“.

Um den bestmöglich spielen zu können, braucht es geeignetes Personal. Dementsprechend brechen die Houston Rockets derzeit mit den vermeintlich in Stein gemeißelten Basketballgesetzen, denn ihr Team besteht fast nur noch aus Spielern, die weniger als zwei Meter groß sind. Das Team der Rockets um die Superstars James Harden und Russell Westbrook setzt sich fast ausschließlich aus Aufbau- und Flügelspielern zusammen, die allesamt den Dreipunktewurf beherrschen und mit dem Ball umgehen können.

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Für den klassischen großen Center, der nah am Korb spielt, aber keine Gefahr als Distanzschütze darstellt, ist in Houston kein Platz mehr. Im Februar tauschten die Rockets ihren einzigen nominellen Center Clint Capella für Robert Covington von den Minnesota Timberwolves aus – einen ausgewiesenen Experten des Dreipunktewurfs. „Wir müssen rausfinden, wie wir mit diesem Team und unseren Starspielern am besten spielen können. Und wir glauben, dass das der Weg ist“, sagte Trainer Mike D’Antoni Anfang Februar.

Das Spielen mit kleinen Aufstellungen nennen sie in den USA „Small Ball“. Die Golden State Warriors, die zwischen 2015 und 2019 immer im Finale standen und dreimal Meister wurden, setzten bereits bewusst auf kleinere, aber dafür spielstarke und variable Spieler.

Der Ansatz der Houston Rockets ist radikal

Auch die Rockets spielten schon in den vergangenen Jahren gerne klein. D’Antoni implementierte zu Beginn der Nullerjahre in Phoenix eine Offensive, die auf ein extremes Tempo und viele Dreier setzte. Die Radikalität, mit der Houston diese Philosophie nun aber weiterdenkt, setzt neue Maßstäbe.

Da wäre zum Beispiel Ben McLemore, an dessen Statistiken sich die Konsequenz des Spielstils ablesen lässt. Nicht ein Mal versuchte er in dieser Saison in 55 Spielen einen weiten Zweipunktewurf. Dagegen nahm er stolze 357 Dreier und schloss 72 Mal direkt am Korb ab.

Radikal: Mike D’Antoni ist der Chefcoach der Houston Rockets.
Radikal: Mike D’Antoni ist der Chefcoach der Houston Rockets.

© Christian Petersen/AFP

Generell entfallen nur 2,2 Prozent der 118,5 Punkte, die Houston pro Partie erzielt, auf Mitteldistanzwürfe – Ligatiefstwert. 42,2 Prozent der Punkte entstehen dagegen per Dreier, die Rockets nahmen in dieser Saison bereits 2418 davon – Ligahöchstwert.

Defensiv machen die Rockets die fehlenden Zentimeter beim Rebounding mit viel Einsatz wett. So sammelt Houston seit Anfang Februar zwar ligaweit die wenigsten Abpraller, forciert durch Aggressivität und Athletik aber die drittmeisten Ballgewinne und kann so auch deutlich größer besetzte Teams vor Probleme stellen. „Wir sind in Sachen Körpergröße kleiner als der Gegner. Aber jeder Spieler hier hat Herz. Wir können es mit jedem aufnehmen“, sagt James Harden über die Einstellung des Teams.

Der Gegner ist nie ganz berechenbar

Ob es für Morey und seine Rockets mit ihrem Mix aus Dreiern und Tempo zum Titel reichen kann, darf dennoch bezweifelt werden. Die klare Ausrichtung des Teams sorgt dafür, dass gegnerische Mannschaften genau wissen, was auf sie zu kommt. Und sie birgt eine Abhängigkeit. Denn wenn der Dreier an einem Abend mal nicht fällt, fehlt den Rockets zu oft ein zweiter Plan.

Anfang Februar gewann Houston beim Spitzenteam der Los Angeles Lakers, auch dank einer sehr guten Dreierquote von 45 Prozent bei 42 Würfen. Eine Nacht später verloren die Rockets beim Underdog in Phoenix mit einer Differenz von 35 Punkten. Von den 48 Dreipunktewürfen fanden nur elf ihr Ziel.

Der „Morey Ball“ ist ein Experiment, das fasziniert, weil es sich frei von den vermeintlichen Konventionen einer Sportart macht und kompromisslos auf die eigenen Stärken setzt. Doch die vielleicht wichtigste Variable lässt sich im Sport eben niemals bis ins kleinste Detail berechnen: Was der Gegner tut, um selbst erfolgreich zu sein.

Louis Richter

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