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Sport: Beten und Gas geben

Die Kurve Eau Rouge in Spa ist die Mutprobe der Formel 1

Von Hartmut Moheit

Gerhard Berger ist froh, dass er alles hinter sich hat. Die Formel 1 an sich, aber vor allem Spa-Francorchamps. Für den BMW-Sportdirektor verbinden sich mit dem Grand-Prix-Kurs in Belgien, wo am Sonntag der nächste Grand Prix ausgetragen wider (Sonntag 14 Uhr/live in RTL und Premiere) besonders heikle Themen: Regen, Risiko und Eau Rouge. Und irgendwie hängt all das zusammen. Das unberechenbare Wetter in den Ardennen hat stets Gefahren heraufbeschworen – vor allem in der gefährlichsten Kurve aller 17 WM-Kurse, der Eau Rouge. Der Österreicher Berger hat das Abenteuer Spa und Eau Rouge immer überstanden, selbst die spektakulärsten Dreher blieben ohne gravierende Folgen. Aber der Respekt vor der Eau Rouge ist bis heute geblieben. Vom später in Imola tödlich verunglückten, legendären Ayrton Senna ist der Satz überliefert: „Jedes Mal, wenn du in diese Kurve fährst, betest du, dass du wieder gesund heraus kommst.“

Mit rund 270 km/h rasen die Fahrer auf die Kurve zu. Beim Einlenken wird das Auto tief in die Stoßdämpfer gepresst, dann wird es – noch im ersten Kurvenabschnitt – federleicht: Denn dann steigt die Kurve um 15 Prozent. Die Fahrer können die Kuppe des Hügels nicht sehen. Für sie sieht es so aus, als würden sie direkt in den Himmel rasen. Instinktiv, auch aus Angst, heben sie leicht den Fuß vom Gaspedal. Dann geht es urplötzlich nach rechts. In der Kurve ist ein Korrigieren nicht mehr möglich. Vollgas – oder besser nicht? Diese Frage stellt sich in jeder Runde vor dem Links-Rechts-Links-Knick. „Das Herz sagt immer: ja“, sagt Berger, „aber das Hirn: nein.“

Auch der zweimalige Weltmeister Jim Clark mochte den Kurs in den 60er-Jahren nicht, obwohl er in Spa dreimal gewann. Der Brite hatte zu viele Freunde auf dem damals noch 14,1 km langen Kurs verloren. 1985 starb der Deutsche Stefan Bellof in Eau Rouge.Seitdem ist zwar der Sicherheitsstandard der Autos ständig verbessert und die Strecke, auf der der Vollgas-Anteil bei 63 Prozent liegt, zudem vor Jahren bereits auf 6,986 Kilometer verkürzt worden. Aber am unberechenbaren Wetter, dem Risiko und der Eau Rouge hat sich nichts geändert.

Und dennoch, spätestens seit dem 30. August 1992 ist die Strecke nahe der deutschen Grenze für einen Fahrer sogar zum Lieblingskurs geworden: Michael Schumacher. Seit jenem regnerischen Sonntag im Spätsommer war die steile Karriere des Kfz-Mechanikers aus Kerpen nicht mehr zu stoppen gewesen. Damals gewann der 23-Jährige im Benetton in seiner ersten Formel-1-Saison, die er komplett bewältigt hat. Es war der erste deutsche Grand-Prix-Sieg seit 17 Jahren. Genau ein Jahr zuvor fuhr der Deutsche in Spa seinen ersten Grand Prix überhaupt. Das Rennen jedoch war für ihn ernüchternd. Schon nach einigen hundert Metern musste er wegen eines Kupplungsschadens aufgeben..

An diesem Wochenende kehrt Schumacher im Ferrari als fünfmaliger Weltmeister nach Spa zurück. „Für mich hat diese Strecke einfach einen besonderen Zauber“, schrieb Schumacher in dieser Woche auf seiner Homepage. Bereits fünfmal hat er in Belgien gewonnen.Aber vielleicht entfällt ja bald diese Mutprobe mit der Eau Rouge. „Ich frage mich, ob es realistisch ist, zu sagen, dass es noch 2003 einen Grand Prix in Belgien gibt“, sagt Schumacher. Ab 2003 gilt nämlich in ganz Belgien ein Tabakwerbeverbot, und für die Formel 1 wird da keine Ausnahme gemacht. Und Formel 1 ohne Tabakwerbung, das ist zurzeit undenkbar.

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