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Björn Werners Kolumne „Inside the NFL“: American Football ist wie Schach mit Helmen
Er erlebte die NFL einst selbst als Profi, heute kommentiert Björn Werner die Spiele bei RTL. Ab sofort schreibt er eine Kolumne beim Tagesspiegel und erklärt diesmal, warum Football so faszinierend ist.
Stand:
Ich werde oft gefragt: „Björn, was fasziniert dich eigentlich so an diesem Football?“ Meine Antwort: Alles. Die NFL ist für mich das beste Unterhaltungsprogramm der Welt. Und zwar 365 Tage im Jahr – obwohl eigentlich nur knapp ein halbes Jahr gespielt wird. Selbst in der Offseason gibt es Schlagzeilen ohne Ende: Draft, Combine, Training Camps. Es passiert einfach immer etwas, auch wenn gerade kein reguläres Saisonspiel ansteht.
Und genau das begeistert immer mehr Menschen auch hier bei uns in Deutschland. Fußball ist und bleibt unser Volkssport, aber mal ehrlich: Das Storytelling der NFL ist eine andere Liga. Im wahrsten Sinne. Da geht’s nicht nur um Touchdowns, sondern um Dramen, Heldenreisen und manchmal auch um Taylor Swift. Wer Fußball schaut, bekommt 90 Minuten plus Nachspielzeit. Wer Football schaut, bekommt Hymne, Flyover, Feuerwerk – ein ganzes Kulturpaket. „America in a nutshell“, wie man so schön sagt.
Als Teenager war es für mich das Größte, in diesem Sport aufzugehen. Elf gegen elf – aber im Kern ist es eher ein eins-gegen-eins. Jeder Spieler misst sich mit einem Gegenspieler. Ein legales Duell Mann gegen Mann. Körperlich, mental. Ich bin im Alltag bei weitem kein aggressiver Typ, aber auf dem Feld gab es für mich nichts Geileres. Da darf man den anderen wortwörtlich körperlich umhauen und mental überlisten – im Rahmen der Regeln natürlich. Es ist Schach mit Helmen.
Häufig bekomme ich zu hören, man müsse wie ich den Sport doch auch so gespielt und erlebt haben, um Football zu verstehen. Das ist vollkommener Quatsch. Wer in die Tiefe des Spiels einsteigen will, entdeckt eine komplexe Sportart, aber die Grundregeln sind simpel: vier Versuche zur Überbrückung von zehn Yards.
Den Rest liefert die Show drumherum: unfassbare Athletik, wilde Geschichten, Emotionen pur. Kein Mensch muss selbst einen Block gesetzt haben, um den Nervenkitzel im Wohnzimmer zu spüren. Sonst dürften wir ja auch kein Tennis schauen, nur weil wir keinen Federer-Return hinkriegen.

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Wer die Erfolgsfaktoren dieser Liga durchleuchtet, stößt früher oder später auf ein triftiges Argument: ihre Ausgeglichenheit. Kein NFL-Klub kann sich wie der FC Bayern über zehn Jahre in Folge eine Meisterschaft sichern. Salary Cap, Draft, Free Agency – das sorgt dafür, dass selbst die schlechtesten Teams wieder hochkommen können. Klar, auch in der NFL gibt es Dominanzen mit back-to-back-Champions, aber das ist auch schon das absolute Maximum, denn drei Titel in Serie hat noch niemand geschafft. Ein Bayern-München-Szenario? Undenkbar.
In Deutschland rufen die beschriebenen Show-Elemente nicht selten Kritik aus: „Das ist doch nur Kommerz und der reinste Zirkus!“ Ja, die NFL ist Big Money und Big Entertainment. Aber das gilt für jede Profisportart. Wer glaubt, Sport, Wirtschaftlichkeit und Unterhaltung ließen sich trennen, hat den Schuss nicht gehört.
Ohne Entertainment schaut heute niemand mehr zu. Wir leben in einer Zeit, in der TikTok und Netflix nur einen Klick entfernt sind. Wenn ein Spiel langweilig ist, schaltet man weg. Deswegen sage ich: Unterhaltung ist überlebenswichtig. Wer gerade bei den Jüngeren relevant bleiben will, der sollte Show, Spektakel und Humor neben der sportlichen Analyse nicht ignorieren.
Und genau so halten wir es auch bei RTL: Hier darf ich zusammen mit Patrick Esume jeden Sonntagabend zur Primetime die Spiele kommentieren – wobei uns eines besonders wichtig ist: Wir haben richtig Spaß. Und genau das transportiert Football. Positive Energie. Emotionen. Dieses Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein.
Und noch ein Vorurteil möchte ich ausräumen: Football sei nur was für Männer. Bullshit. In den Stadien in den USA sehe ich mehr Frauen als in der Bundesliga. „Football is Family“ heißt es nicht umsonst. Beim Tailgating wird gegrillt, gelacht, gefeiert. Kinder, Eltern, Großeltern, alle teilweise in unterschiedlichen Trikots. Wenn beim Barbecue Oma das Bier zapft und die Enkel Hotdogs grillen, dann weißt du: Hier geht’s nicht um Männlichkeitsrituale, sondern um Gemeinschaft. Rivalität ja, Gewalt nein.
Deshalb mein Rat an alle, die noch nie ein Spiel gesehen haben: Probiert’s einfach aus. Sonntagabend einschalten, zurücklehnen, sich überraschen lassen. Und wenn dann Patrick und ich im Studio Quatsch machen, analysieren und der Vibe stimmt, merkt ihr: Ja, American Football ist halt mehr als Sport. Es ist in gleichen Teilen Entertainment, Gemeinschaft, Adrenalin.
Und für mich persönlich: immer noch das schönste Schachspiel der Welt. Nur eben mit Helmen.
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