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Nackte Tatsachen. Am 30. November 1982 zieht René Weller ein paar Boxhandschuhe über, mehr nicht.

© Jörg Schmitt/dpa

Boxer René Weller wird 65: Pforzheims Muhammad Ali

Der "schöne René" trug im Ring glitzernde Shorts mit knalligen Botschaften. Er fand: "Ich bin der einzige Deutsche, der nackt besser aussieht als angezogen."

Als sich 1979 die gemeinsame PR-Tour für einen Getränkehersteller dem Ende näherte, hatte René Weller noch eine Frage an den „Größten aller Zeiten“. „Der schöne René“ sah gut aus, war schnell, auch er konnte stechen wie eine Biene und an guten Tagen fliegen wie ein Schmetterling. Aber an Muhammad Ali reichte im Boxsport niemand heran. „Champ“, fragte der Leichtgewichtler Weller das Schwergewicht aus den USA, „was ist das Geheimnis des Boxens?“ Und Ali antwortete: „Spaß zu haben! Alles andere ist langweilig.“

Am Mittwoch wird René Weller 65 Jahre alt. Und wenn man dem ehemaligen Welt- und Europameister aus Pforzheim eines nicht vorwerfen kann, dann, dass es jemals langweilig mit ihm wurde.

1953 als Sohn eines Boxers geboren, trat Weller bereits mit zwölf Jahren dem örtlichen Boxclub bei. Er finanzierte sich mit dem Verkauf seiner Briefmarkensammlung den ersten Tiefschutz und musste nur zwei Jahre später mit dem frühen Krebstod seines Vaters die größte Niederlage seines Lebens verkraften.

Bis zu seinem Wechsel ins Profilager 1980 absolvierte der Olympia-Teilnehmer von 1976 insgesamt 355 Amateurkämpfe und gewann davon sagenhafte 338. Viel wichtiger noch als all die Haken, Jabs und Ausweichmanöver war aber: Er schuf sich ein Image, das ihn auch außerhalb des Rings populär machte. Der Grund: „Ich musste auffallen, um populär zu werden“, erinnert sich Weller. „Wer interessierte sich in Deutschland schon für einen ganz normalen Leichtgewichtsboxer?“

Also nannte er sich selbst „Golden Boy“, trug im Ring glitzernde Shorts mit knalligen Botschaften zu Bauschaum-Frisur und Oberlippenbart, posierte halbnackt mit fingerdicken Goldketten auf Motorrädern, sang 1984 den „René Weller Rap“ ein und spielte ein Jahr später die Hauptrolle in dem Spielfilm „Macho Man“. Längst hatten die Medien Weller da schon zum „schönen René“ ernannt und der Frauenheld nahm diese Rolle nur zu gerne an. „Ich bin der einzige Deutsche, der nackt besser aussieht als angezogen“, sagte er.

Vier Jahre Haft wegen Hehlerei und Kokainhandel

Bereits 1983 erkämpfte er sich durch einen K.o.-Sieg in der ersten Runde gegen den Amerikaner James Ortega die Weltmeisterschaft im Superfedergewicht. Ein Jahr später wurde Weller auch Europameister und verlor erst die fünfte Titelverteidigung gegen den späteren WBO-Champion Gert Bo Jacobsen. Das blieb die einzige Niederlage seiner Profi-Karriere. Als wesentlich schlimmere Pleite bewertet der fünffache „Boxer des Jahres“ heute seine Festnahme und Verhaftung 1999. Unter anderem wegen Hehlerei und Kokainhandels wurde Weller zu sieben Jahren Haft verurteilt, vier musste er davon absitzen.

Nach seiner Entlassung versuchte sich Weller als Schauspieler, Musiker, Box-Trainer, Initiator einer Unterhaltungsshow („Die Rückkehr der harten Jungs“) und tingelte durch diverse Reality-Show-Formate, wobei ihm das Kunststück gelang, 2005 nach nur einer Woche aus dem Big-Brother-Dorf geschmissen zu werden: Der ehemals schönste nackte Boxer Deutschlands hatte seinen Mitbewohnern den blanken Hintern präsentiert.

Seit 2013 ist er mit seiner Langzeitfreundin Maria Dörk verheiratet, einer früheren Journalistin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, dass ihr Gatte nicht vergessen wird („Ich hoffe, er stirbt vor mir. Ohne mich ist er hilflos.“). Eine Biografie ist in Planung, wer möchte, kann sich via WhatsApp auch Geburtstagsgrüße vom Ex-Weltmeister schicken lassen.

„Pforzheims Ali“, bester Boxer Europas, Weltmeister, Teilhaber einer Lederfabrik, Goldschmuck-Verkäufer, sympathisches Großmaul, Frauenschwarm, Männerheld, Rotlicht-Idol, Teilnehmer der ProSieben-Völkerball Meisterschaft und jetzt auch noch Grußonkel - langweilig wird es mit René Weller nie. Heute sagt er: „Ich wollte immer der Stärkste sein und Spaß dabei haben. Beides hat meistens ganz gut funktioniert.“ Muhammad Ali wäre darauf sicher stolz gewesen. (dpa)

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